Vielfältige Verwirrungen

Kulturverwirrungen, subtropische Weihnachtsstimmung und Mangobäume, so zahlreich wie bei uns die Apfelbäume

Einige Zeit ist vergangen, seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe. Vielleicht weil sich mittlerweile ein Alltag eingependelt hat. Nach 4 Monaten hier in Malawi sind mir die Dinge, die am Anfang neu und fremd waren, vertraut geworden und es ist nicht mehr alles spannend und aufregend wie am Anfang, sondern normal, manchmal vielleicht auch nervig, aber vor allem ganz einfach zu meinem Alltag geworden.

Kleine Kulturverwirrungen

Je nach Tagesstimmung freue ich mich, dass jeder mich grüßt oder bin genervt davon, dass ich hier immer auffalle und nie unbemerkt und von Grüßen überhäuft durch die Stadt laufen kann. Manchmal bin ich schier am Verzweifeln, wenn mal wieder kein Strom da ist (vor allem wenn ich Hunger habe), meistens nehme ich es einfach hin, so ist das hier nun mal. Ich habe erkannt, dass „power cuts“ (Zeiten, wenn wir keinen Strom haben) sehr viel weniger schlimm sind, als „water cuts“ (Zeiten, in denen wir kein Wasser haben), denn wenn ich nach einer Minibustour keine Hände waschen kann, entspricht das einfach nicht meinen Hygienevorstellungen. Zum Glück sind solche „water cuts“ sehr viel seltener als „power cuts“, die bei uns zu Hause im Gegensatz zu den meisten anderen Areas Lilongwes auch nicht dadurch kommen, dass kein Strom geliefert wird, sondern ganz einfach deshalb, weil meine Mitbewohner es nie auf die Reihe kriegen, neue „units“, so nennen wir die Energieeinheiten, zu kaufen (: offensichtlich verhalten sie sich dabei ähnlich, wie die meisten Malawier beim Tanken: bloß nicht volltanken, lieber 10mal zur Tankstelle fahren und immer nur für 1000-2000 MWK (ca. 2 €) tanken. Ein kleiner Einblick in die alltägliche „Kulturverwirrung“ und ich schreibe bewusst Verwirrung, ich finde Kulturschock in diesem Zusammenhang etwas übertrieben, ich bin ja nicht geschockt, bloß verwirrt!

So ist das, doch im Allgemeinen bin ich mit meinem Leben hier sehr zufrieden. Oft denke ich, dass sich das Leben in einiger Hinsicht stark von meinem Leben in Deutschland unterscheidet, andererseits in vieler Hinsicht ziemlich ähnlich ist. Ich habe mein gemütliches Zimmer mit Bett, Schrank, Regal und Fotos an der Wand, gehe morgens zur Arbeit, komme abends wieder, kaufe auf dem Weg im Supermarkt oder auf dem Markt ein, trinke gemütlich einen Tee oder Kaffee (vorausgesetzt es gibt Strom), lese viel, schaue auch mal einen Film… Im Grunde ein nicht allzu anderes Leben als in Deutschland. Wenn ich mir dann in Erinnerung rufe, dass ich aus Deutschland, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, in Malawi, einem der ärmsten Länder der Welt, gelandet bin, denke ich mir, dass es sich im Allgemeinen auf dieser Erde wohl ganz gut leben lässt. Natürlich vorausgesetzt es herrscht Frieden, und Malawi ist wirklich ein überaus friedliches Land.

Subtropische Weihnachtsstimmung
Adventsstimmung mit Weihnachtsplätzchen und Kerzen

Heute ist der 13. Dezember… Ich bin jedes Mal kurz verwirrt, wenn ich mir das Datum in Erinnerung rufe, dann nach draußen schaue, mir eine Minute vorher überlegt habe, dass es schon wieder jetzt um 10 Uhr viel zu heiß ist. Mein Verständnis von Mitte Dezember ist einfach nicht in Einklang zu bringen mit dem, was ich sehe und spüre. Dann stelle ich mir vor, dass ihr in Deutschland gerade mitten in der Weihnachtszeit steckt, eure Wolljacken tragt, nicht ohne Mütze und Schal aus dem Haus geht und überall die Weihnachtsmärkte mit Glühwein und gebrannten Mandeln aus ihren Verstecken gekrochen sind. Ich frage mich, vermisse ich die Weihnachtszeit oder freue ich mich, Weihnachten einmal ganz ohne viel Trubel und Weihnachtsschnickschnack zu verbringen? Vielleicht ein bisschen von beidem. Auf jeden Fall hole ich mir die Weihnachtszeit zwischendurch auch immer wieder hierher in die subtropische Hitze. Ich höre Weihnachtslieder, zünde Kerzen an, lerne Sockenstricken und esse Plätzchen!! Plätzchen? Ja, denn ich habe das große Glück, dass Amelie und Anne mir in Lüneburg Plätzchen gebacken haben und Carl mir diese rechtzeitig zur Adventszeit mit nach Malawi gebracht hat… Ich habe mich noch nie so über eine Keksdose mit Weihnachstplätzchen gefreut, das könnt ihr mir glauben!! So konnte ich am ersten Advent ein gemütliches Adventsfrühstück machen, mit Weihnachtsmusik und Kerzen, Plätzchen und Kaffee und – um den malawischen Touch nicht zu vergessen – Mango.

Die Regenzeit in Zeiten des Klimawandels

Immer öfter haben wir nun Tage, an denen es regnet, die Regenzeit bahnt sich an, doch zwischendurch, wenn die Sonne ordentlich scheint, wird es immer heißer und heißer und ich verkrieche mich im Haus oder im Schatten. Nach einem Regenguss fällt die Temperatur dann von über 30 °C auf die unteren 20er und ich ziehe mir, meinem neuen Kälteempfinden folgend, lieber einen dünnen Pulli über. Alle hoffen, dass die starken Regenfälle so bald wie möglich kommen. Im Süden haben die meisten Bauern schon gesät und auch um Lilongwe herum ist jede freie Fläche für die Landwirtschaft präpariert. Der Regen wird sehnlichst erwartet und ich bin gespannt, wie die starken Regenfälle sich auf das Leben hier auswirken werden. Für die Bevölkerung Malawis ist es sehr wichtig, dass der Regen bald kommt und dann auch eine ordentlich große Menge an Wasser bringt. Denn der größte Teil der Bevölkerung lebt auf dem Land und baut ihre Nahrungsmittel, hauptsächlich Mais, selber an, wodurch ihr Leben stark von den Regenfällen abhängt. Doch mit dem Klimawandel lässt sich der Beginn der Regenzeit nicht mehr so gut vorhersagen, wie noch vor einigen Jahren. Auch die Trockenperioden während der Regenzeit sind in den letzten Jahren häufiger geworden und können dazu führen, dass es Ernteausfälle gibt und die Ernte nicht ausreicht, um die Familien für ein ganzes Jahr zu versorgen. Also drücken wir die Daumen, dass der Regen nicht mehr lange auf sich warten lässt und dann auch ohne große Pausen bis zum Ende der Regenzeit im April bleibt.

Eindruck aus dem grünen Mchingi nahe der Grenze zu Sambia
Mangobäume so reichlich wie Apfelbäume in Deutschland

So wie bei uns in Deutschland in vielen Gärten Apfelbäume stehen, findet man hier überall Mangobäume. Reich behängt mit den leckeren Früchten, stehen die Bäume überall in Malawi. Durch das unterschiedliche Klima sind die Mangos in den heißen Seeregionen schon reif, während wir in Lilongwe noch warten die Mangos vom Baum essen zu können. Solange kaufen wir die Mangos, die die Händler aus den Seeregionen in Massen in die Stadt bringen. Jeden Tag esse ich mindestens eine Mango, könnt ihr euch das vorstellen?

Mangos über Mangos
Mangobaum in Ntcheu
Dorfleben

Kein fließend Wasser, Nsima én mass und Kinder, die von deinem Fotoapparat endlos begeistert sind… Das sind nur einige Aspekte, die ich in meiner Woche Dorfleben erfahren konnte. Anfang November hatte ich das große Glück, für eine Woche in einer Gastfamilie in einer kleinen „community“ (Dorfgemeinschaft) in Ntcheu leben zu dürfen. Das Kusamala Institute hat dort ein Projekt und so organisierte Arthur, ein Kollege, mir diese besondere Erfahrung. Bedenkt man, dass der größte Teil der Bevölkerung Malawis auf dem Land lebt, konnte ich so erstmals das richtige malawische Leben kennenlernen. Das Leben ist einfach, vor der Regenzeit gab es nicht allzu viel zu tun, die Kräfte werden gesammelt für die Zeit, wenn der Regen kommt und jede Energie auf dem Feld gebraucht wird. Ich erfuhr, wie es ist, ohne fließend Wasser zu leben und das Wasser vom Brunnen zu holen. Schon die Kinder können Mengen an Wasser auf ihrem Kopf transportieren, es ist beeindruckend. Strom gibt es nicht, gekocht wird auf Feuer. Im „Garten“ (eher ein Hinterhof mit Sandboden) laufen die Hühner herum und eines Morgens wurde eines der Hühner eingefangen und zum Mittagessen gab es dann Nsima (natürlich, immer!) und Hühnchen.

Auf dem Dorf in Ntcheu
Ein weiter Weg von der Straße und nächsten Einkaufsmöglichkeit bis zu dem kleinen Dorf

 

 

 

 

 

 

 

Alle in der Dorfgemeinschaft fühlten sich sehr geehrt, dass ich bei ihnen zu Besuch war. Dabei, so dachte ich mir, sollte doch ich diejenige sein, die sich dankbar zeigt und sich geehrt fühlt, dass diese Menschen mich so herzlich aufnehmen. Ich lernte die „Village Bank“ kennen, wo Frauen zusammenkommen und ihr Geld zusammen sparen und dadurch kleine Kredite ausgeben können, falls jemand unter ihnen ein kleines „business“ starten will. Jeden Abend kamen die Kinder und wollten mit mir Englisch reden, was jedoch nicht so einfach war. Wir hatten trotz starker Verständigungsprobleme (meine Chichewa-Kenntnisse halten sich leider immer noch in Grenzen) unseren Spaß zusammen und als ich am letzten Abend meine Kamera rausholte, waren alle hellauf begeistert. Meine Gastfamilie war sehr herzlich, wir aßen zusammen, ich lernte wie man „Telele“ (Okraschoten) und Nsima kocht, wir knackten zusammen Erdnüsse und hatten allgemein eine schöne Zeit. Es war ein ruhiges Leben dort in dem Dorf und doch auch ein bisschen anstrengend, denn viel Zeit für mich hatte ich nicht. Immer wollte jemand mit mir reden, und wenn ich einmal kurz Zeit für mich haben wollte und mein Buch rausholte, waren die Leute verwirrt, Bücher lesen ist nicht so weit verbreitet hier! Als ich zurück nach Lilongwe kam, wurde mir das erste Mal bewusst, wie sehr ich doch in einer großen Stadt lebe. Viel Trubel, viele Autos, viel Lärm und ich war froh, als ich endlich wieder zu Hause in meinem ruhigen Garten war, mein Buch zu Ende lesen konnte und mir eine leckere Pasta kochen konnte, die ich nach einer Woche Nsima dann doch sehr genoss.

Posen für das Foto mit Wassereimern auf dem Kopf 😉
Beim Erdnüsse-Knacken mit meiner Gastfamilie

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