Wie angekündigt geht’s dieses Mal um Arbeitsplatz: Das Tegbare-id ist ein staatliches TVET (Technical and Vocational Education and Training) College und das älteste seiner Art in Äthiopien. Es umfasst mehrere Departments wie beispielsweise Textilverarbeitung, Automobile, Biomedizin und Manufaktur, die jeweils Kurse für verschiedene Berufsbilder anbieten. Das Konzept der TVETs ähnelt dem einer deutschen Berufsschule: Der Unterricht besteht zu 30% aus einem theoretischen Teil, die restlichen 70% sollen in Betrieben erlernt werden.
Ergänzend und aus Mangel an ausbildenden Unternehmer stehen im College viele Maschinen und Geräte für Übungen zur Verfügung. Manche davon wurden aus Mitteln der GIZ (Gesellschaft für international Zusammenarbeit) und KfW finanziert. In Besprechungen und Visiten mit verschiedenen Vertretern dieser beiden deutschen Institutionen, zu denen mich mein (ebenfalls deutscher) Mentor und Qualitätsmanager des Tegbare-id mitgenommen hat, konnte ich einen Eindruck von der staatlichen Deutschen Entwicklungszusammenarbeit auch auf höherer Verwaltungsebene gewinnen.
Meine eigene Arbeit findet aber an der Basis im Tegbare-id statt. Mein derzeitiges Reich ist das Technology Transfer Center. (TT-Center) Hier bietet ein sehr großer Tisch die Möglichkeit zu werkeln, bestehende Technologien zu untersuchen und an hiesige Gegebenheiten zu adaptieren. Im hinteren Bereich befindet sich die Recherche-Ecke und im (internetfreien) Trainingsbereich kann die Arbeit am Computer geübt und am Beamer demonstriert werden. Alle PCs sind mit einem lokalen Server verbunden, auf dem ich gerade an einem Studentenverwaltungsprogramm arbeite. Dieses wurde bereits von einem meiner Vorvorfreiwilligen aufgesetzt, ist dann aber nicht weiterentwickelt worden und daher nie in die aktive Nutzung geraten. Nun ist das Thema Digitalisierung der Collegedaten wieder auf den Schirm der Collegeverwaltung gerückt. Durch die Integration von Studentendaten (inkl. Notfallkontakte, Noten, usw.), Daten über kooperierende Betriebe, Erstellung von Transkripten, Zertifikaten und Statistiken, Bezahlung, etc. erhoffen wir uns neben der Effizienzsteigerung, Attraktivitätssteigerung der Verwaltungsjobs und Fehlerreduzierung, die Erschwerung korrupten Handelns, indem alle Änderungen (z.B. Noten) protokolliert werden und Zugriffe technisch Beschränkt werden. Ein dringendes Anliegen ist uns dabei die Integration von Informationen über die Ausbildungshistorie und Anforderungen von Firmen zu den Studentenprofilen, um zukünfig mehr Schüler in tatsächliche Ausbildungsplätze in der Industrie zu vermitteln.
Während ich weiter an der Funktionalität arbeite, unterstützt mich das ICT-Department (Information and Communication Technology) dabei wieder einen Server in das Netzwerk der Registrar-Officer, den im ersten Schritt hauptsächlichen Nutzern der Software, zu integrieren. Die Registrar-Officer sind eine nette Truppe, zu denen ich schon eine ganz gute Beziehung aufgebaut habe. Ich habe jetzt immer häufiger mein Mittagessen dort (also immer irgendwas Wechselndes mit Injera), gefolgt von ein bis zwei Runden ቡና („buna“ = Kaffee). Viele aus dem Team sprechen nicht gerne Englisch, haben aber großen Spaß an meiner Überforderung, wenn sie mich auf Amharisch ansprechen. Sie sprechen mir aber immer wieder geduldig neue Wörter vor, sodass ich die Kaffeerunden mittlerweile weniger als Trödelei, sondern meinen persönlichen Sprachkurs ansehe. Mit dem ICT-Department hatte ich allgemein bisher noch fast gar keinen Kontakt und möchte das in Zukunft ändern.
Am Samstag wurden einige Vertreter anderer TVET Colleges oder regionaler TVET-Verwaltungen und Unternehmer empfangen, um sich unser Tegbare-id anzusehen, auch wenn sich dieses (dem Hörensagen nach) qualitativ eher im Mittelfeld des Landes bewegt.
Nach der Eröffnungsrede haben sich die Gäste in Gruppen verschiedene Stationen angesehen und so haben mein Mentor und ich als Teil dessen das TT-Center vorgestellt. Einige haben auch Interesse an der Software gezeigt, an der ich arbeite. Das freut uns, da wir damit auf der TVET-Ebene ein Vorreiter in der Digitalisierung wären und auch wir die Vision haben, am Ende unser Programm an andere Colleges weiterzugeben.
Im TT-Center habe ich auch am Data Carpentry Day (als Teilnehmer) mitgemacht. Auch eine Führungskraft aus dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie war anwesend und hat sich beteiligt. Es war der zweite von drei solcher Workshops, um Interessierte im Umgang mit Daten zu schulen. Das Thema des Tages war, warum so wenige Menschen in Äthiopien ihre eigenen Unternehmen gründen bzw. eher was ihnen dazu fehlt. Die auszuwertenden Daten waren vorgegeben und wurden nach Schritt-für-Schritt-Anleitung separiert, visualisiert und mit der Fragestellung in einen Kontext gebracht und abschließend präsentiert. Insgesamt schien mir den Teilnehmern der Mut zu fehlen, kreativ zu sein und eigene Ideen zu vertreten, was wie mir gesagt wurde, ein generelles Problem in Äthiopien sei. Die Hauptinitatorin kommt von der GIZ (siehe oben) und mein Mentor und ich haben mit ihr mehrmals gesprochen. Beim nächsten Workshop wollen wir ein paar Kreativitätsübungen zwischendurch einbauen. Dieser Workshop wurde auch insbesondere dazu veranstaltet, Talente für die Nasa Space Apps Challenge zu finden, einem internationalen Innovationswettbewerb, an dem Äthiopien in diesem Jahr erstmals als eines von drei afrikanischen Ländern teilnimmt und für den ich mich nun persönlich auch als Unterstützer angemeldet habe.
In dieser Woche sind einige Lehrer aus dem Ingenieursbereich auf mich zugekommen und haben gefragt, ob ich ihnen die Programmiersprache C++ oder Java beibringen könnte, sodass ich mit meinem Mentor plane ein wöchentliches öffentlich Training daraus zu machen. Am gleichen Tag ist schon zuvor der Leiter des Kleidungs- und Textildepartments auf mich zu gekommen, da er in einem Unternehmen Gantt-Charts gesehen hat und nun die Prozesse seines Departments ebenfalls auf diese Weise dokumentieren und strukturieren möchte. Ich habe ihm meine Unterstützung dafür zugesagt und auch daraus mit meinem Mentor den Plan gefasst, im Erfolgsfall auch den anderen Departments so etwas vorzustellen.
Wie ihr merkt, scheint es für mich so schnell nicht langweilig zu werden. Und auch von außerhalb der Schulmauern gibt es noch einiges zu erzählen und einige Fotos hochzuladen, was ich möglichst bald nachreichen werde. Liebe Grüße nach Deutschland