Was zuvor geschah : nichts
Es ist der 10. August, 16:30 Uhr. Etwas verplant stolpere ich in den Flughafen in Hamburg und sehe mich verwirrt um.
Ich bin tatsächlich noch nicht oft geflogen, und dementsprechend weiß ich nicht sofort, was zu tun ist. Doch als ich auf der Anzeige sehe, dass ich zum Check-in Nummer 6 muss, klärt sich alles dann doch recht schnell.
10 Minuten später stehe ich leicht nervös vor der Waage der Gepäckaufgabe. (Zuhause hat die Zeit zum Wiegen nicht ausgereicht).
Mein Handgepäck wiegt 6 kg – die Hälfte des maximal erlaubten Gewichts.
Mein Reiserucksack wiegt 12 kg – ebenfalls knapp die Hälfte des erlaubten Gewichts.
Kennt ihr dieses Gefühl, dass ihr beim Packen entgegen aller Logik, meint etwas vergessen zu haben?
Wenn ja, dann stellt es euch um ein Vielfaches schlimmer vor, als es bei einem Schulranzen wäre.
Ich werde noch nervöser.
18 Kilo für ein ganzes Jahr Afrika! Das kann doch nicht stimmen. Ich muss was vergessen haben.
In meiner Panik gehe ich die Packliste in meinem Kopf nochmal durch.
Und obwohl es nicht sein kann (mit 18 Kilo !!!), scheine ich mich exakt an die Liste gehalten zu haben.
Orientierungslos und etwas verzweifelt irre ich im Terminal umher, bis ich in Samuels Abschiedsveranstaltung reinlaufe.
Der verabschiedet sich gerade munter von seiner Familie und erhält ein hübsch verpacktes Abschiedsgeschenk.
Ich werde ein wenig still. Meine Abschiedszeremonie sieht so aus, dass ich mein Guthaben für meinen Bruder und meine Freunde verbrauche und meine Mutter mir meine gesamte Familie ersetzen muss.
Kurz darauf treffe ich auf Hannah. Auch ihr engster Kreis an Vertrauten ist gekommen, um sich von ihr zu verabschieden.
Während ich mich nochmal schnell von meiner Mutter verabschiede, gehen Samuel und Hannah durch die Sicherheitskontrolle. Ich will natürlich hinterher.
Doch bei der Kontrolle scheine ich zufällig, verdachtsunabhängig verdächtiger zu sein als meine Mitreisenden.
(Ins Deutsche übersetzt : Weil ich in meiner unschlagbaren Genialität vergessen habe meinen Brustbeutel auf das Band zu legen, was dem Scanner natürlich nicht entgeht.)
Da sich der Prozess um mehrere Minuten zieht, komme ich erst kurz vor dem ersten Aufruf zu unserem Gate, wo Samuel und Hannah gemütlich plaudernd sitzen.
Es ist 18:30. Wir fliegen los.
Unser Flug nach Amsterdam verläuft recht unspektakulär und ist auch nur von kurzer Dauer.
Am Flughafen – der mir gigantisch erscheint – suchen wir die fehlenden 40% unserer Reisegruppe Malawi.
Am Gate zu unserem nächsten Flug – nach Nairobi – treffen wir sie dann auch. Johanna strahlt wie ein Atomkraftwerk als sie uns sieht – eigentlich wie immer – und Laura ist auch überraschend gut gelaunt, dafür dass sie seit mehreren Stunden auf den Flug wartet.
Gegen 20 Uhr betreten wir das Flugzeug, ein riesiger Kenya Airlines Jumbo, der mir eine komfortable Reise verspricht. Ich freue mich schon richtig es mir in dieser Maschine für ein paar Stunden gutgehen zu lassen.
Der Flug selbst wäre eigentlich das Highlight des Tages gewesen.
Wäre …
Wenn nicht irgendwann zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens das Kleinkind in der Reihe hinter mir nicht den spontanen Entschluss gefasst hätte, uns mit seiner betörenden Engelsstimme – die einer rostigen Kreissäge auf Hochtouren gleicht – mit einem Schreikonzert zu einem unfreiwilligen Schlafstopp zu zwingen.
Noch im Halbschlaf spiele ich mit dem Gedanken, aus dem Flugzeug zu springen um meine Ruhe zu bekommen. Nach 10 Minuten, als die Stewardess die überforderte Mutter auffordert, das Kind zu beruhigen, ist nicht mal mehr an Halbschlaf zu denken.
Ich seufze und höre auf, für einen spontanen Hörsturz zu beten. Die ersehnte Taubheit setzt eh nicht ein. Stattdessen setze ich mir Kopfhörer auf und klicke mich durchs Angebot der Filme an Bord.
Ich bleibe an einem Film mit dem Namen „Game Night“ hängen, der so gut und lustig ist, dass ich den Rest des Fluges nur noch hysterisch vor mich hinkichere.
Gegen 6 Uhr morgens landen wir in Nairobi. Bis auf den Umstand, dass ich nicht die gleiche Hautfarbe wie 90% der Leute um mich herum habe, finde ich es hier vollkommen normal.
Das Ungewöhnlichste, was ich hier sehe, sind vier französische Pfadfinder, die bestimmt nach Nyerri wollen zum Grab des Vaters der Pfadfinderbewegung, Lord Baden-Powell.
Fröhlich grüßend laufe ich an ihnen vorbei. Die sind erstmal so perplex, dass sie den Gruß nur stumm erwidern.
Dann heißt es Warten – viele Stunden – denn unser Flug verschiebt sich.
Schließlich, gegen 13 Uhr, betreten wir unser Flugzeug nach Malawi. Leider befindet sich aufgrund eines Missverständnisses mein Sitzplatz isoliert von den anderen. Ich mache das Beste draus und döse ein wenig weiter.
Nur noch 3 Stunden Flug trennen uns von Lilongwe.
(Fälschlicher hätte meine Annahme nicht sein können)
Als der Landeanflug beginnt, erwache ich langsam aus meinem Dornröschenschlaf. Das erste, was mir auffällt, sind die Berge, die am Erdboden vereinzelt verteilt auf einer flachen Landschaft stehen.
Sie erinnern ein wenig an den Ayers Rock, in Australien, nur dass sie ockerfarben sind.
Ein wenig verwirrt bin ich schon. Ich weiß nicht, womit ich genau gerechnet habe, wenn ich an Malawi gedacht habe, aber an so etwas bestimmt nicht.
Die Landung verläuft glatt und alle sind erleichtert. Am Flughafen erwarten uns unsere Vorgänger, und alle sind glücklich und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …
Schön wärs – wobei eine zwölfstündige Reise mit erheblich zu wenig Schlaf auch nicht unbedingt schön ist.
Stattdessen hat unser Flugkapitän – einer spontanen Eingebung folgend beschlossen – dass es eine gute Idee wäre, den Flug nach Nampula/Mozambique außerplanmäßig nach vorne zu ziehen und uns so einen dreistündigen Extraaufenthalt in diesem Flugzeug zu bescheren.
Von wegen nur 3 Stunden trennen mich von Malawi…
Es ist gegen 15:30, Uhr als wir dann Mozambique wieder verlassen.
Um 17 Uhr und etwas, als wir in Lilongwe endlich ankommen, geht die Sonne gerade unter. (Und ja, die Landschaft ist nochmal anders als in Mozambique, nämlich platt und staubig trocken).
Im Flughafengebäude holen wir noch unser Gepäck und treten nach 15 Minuten im Gebäude in absolute Finsternis.
Nur ein paar Laternen leuchten und ein paar Grillen zirpen.
Das ist mein erster Eindruck von Afrika: ein Pilot, der sich verfliegt, Grillen und absolute Finsternis. Na, wenn das mal kein großartiger Anfang ist.
Fortsetzung folgt …