Frohe friedliche Weihnachtswünsche nach Deutschland

Gruppenfoto vorm geschmückten Baum eines Restaurants

Frohe Weihnachten nach Deutschland! Hier dauert es noch zwei Wochen bis Weihnachten, was an mehr Schaltjahren im äthiopischen Kalender im Vergleich zu unserem gregorianischen Kalender zu tun hat. Dennoch konnte ich mit ein paar deutschen und amerikanischen Freunden den heiligen Abend feiern und ein paar einzelne Läden und Hotels tragen sogar dezenten Weihnachtsschmuck. Ich nehme mir heute auch mal frei, um Zeit zum Schreiben zu finden und in die Deutsche Kirche Addis Abebas zu gehen – für etwas Heimat zu Weihnachten.

Mein letzter Eintrag ist ja schon eine ganze Weile her. Was den Fortschritt bei der Arbeit betrifft, verweise ich an dieser Stelle nur an den Bericht, den ich zur Orientierung für mich, das Collegemanagement und meine Entsendeorganisation artefact verfasst habe: Report Projects Tegbare-id Derian – Q1. Die Berichte über die Lebensumstände verschiedener mir bekannter Äthiopier, nach denen ich gefragt wurde, verschiebe ich aufs nächste Mal. Dieses Mal möchte ich nur mal schnell ein paar schöne Landschaftsfotos teilen.

Abels erster Prototyp eines Bambusrollstuhls. Siehe auch http://blog.reachforchange.org/africanewsroom/index.php/promising-social-entrepreneurs-join-one-of-a-kind-reach-for-change-incubator-program/

Das geht nicht mehr über Whatsapp, unter meiner deutschen Handynummer bin ich momentan nicht mehr erreichbar. Denn – das gehört leider auch dazu – dummerweise habe ich mir meinen Laptop und keine Woche später mein Handy klauen lassen. Und das nachdem ich gerade die ersten beiden Monate schadenfrei überstanden überstanden und zwei Taschendiebstahlversuche erfolgreich abgewehrt hatte. Zum Glück hatte ich von allem Wichtigen Backups. Irgendwann erwischt es wohl jeden mal hier, egal woher er kommt. Am letzten Wochenende hat es sogar die Collegeleitung erwischt. Nun bin ich über Facebook, Email und meine äthiopische Nummer (schreibt mir an tegbare-id@derian.de, um sie zu erfragen) auf Telegram erreichbar. Einen der Diebe habe ich sogar erwischt, aber er hatte mein Handy offensichtlich nicht oder nicht mehr. Also bin ich der Richtung gefolgt, in die Passanten gewiesen hatten. Dadurch habe ich dann leider auch den Komplizen verloren. Eine witzige Annektote ist mein Versuch, die Polizei auf mein Problem aufmerksam zu machen. Der erste, den ich gefragt habe, war ein Verkehrspolizist und deshalb leider schon mit der Kreuzung (die eine funktionierende Ampelanlage hat) beschäftigt. Der zweite, den ich kurz darauf fand, war schwer bewaffnet, weshalb ich ihn für besser geeignet hielt. Er hat zwar kein englisch gesprochen, aber ein in der Nähe laufender Mann hat für mich übersetzt. Er hat mich gefragt, ob ich die Täter auf einem Foto wiedererkennen könnte, was ich bestätigt habe. So ging das eine Weile bis der Übersetzer meinte, der Polizist würde mir gerne helfen, aber er wäre gerade beschäftigt. Dabei deutete der Übersetzer mit seinem Kopf nach unten auf die Handschellen, die er gerade trug. Man verwies auf eine nahegelegene Polizeistation, die ich aber weder vorher kannte noch danach gefunden habe und so habe ich es dabei belassen und meine letzte Hoffnung auf eine Bekanntschaft eines Freundes bei der stattlichen Telekommunikationsfirma gesetzt. Bisher aber auch ohne Erfolg.

So jetzt aber zu den Fotos:

Wonchi

Einige der letzten Wochenenden habe ich genutzt, um gemeinsam mit ausländischen und äthiopischen Freunden mehr Orte in Äthiopien zu erkunden, die von hier aus recht gut erreichbar sind. Man fährt einige Stunden, aber zahlt umgerechnet nur wenige Euros, wenn man den öffentlichen Verkehr nutzt, und landet in völlig anderen Welten.

Kurzer Ritt am Rande des Wonchi Kraters

Zuerst waren wir in Ambo und am nachegelegenen Wonchi Kratersee. Von Ambo aus mussten wir einen stabileren Minibus privat mieten und nach etwa einer Stunde Fahrt über schwieriges Gelände kommt man am Kraterrand an. Auf dem Rückweg wurden wir von einem Verwandten unseres Fahrers in einem winzigen Ort zu nem lokalen Honigwein und Essen eingeladen. Ich bin froh bei meinen Reisen immer mindestens einem Einheimischen dabei gehabt zu haben, der die überfallartigen Anfragen von potentiellen Fahrern beispielsweise und anderen an uns interessierten Leuten hauptsächlich abbekommen hat, gute Preise aushanden konnte und dem wir sicher auch diese Einladung zu verdanken haben.

Weg zur Kaffee-Stube
Das Bild werde ich austauschen, wenn mir jemand seine Photos aus einer besseren Kamera gegeben hat

Die nächste Reise ging nach Hawassa, einem touristischeneren Ort mit einigen teuren Hotels und Lodges und vielen sehr großen Pelikanen. Dort gabs für uns fritierten Fisch zum Frühstück und eine kurze Bootstour hat uns dicht (vielleicht etwas dichter als nötig) an Flusspferden und vielen Vogelarten vorbei geführt. In der Nähe von Hawassa befindet sich der Ort Wondo Genet. Er ist bekannt für seine heißen Quellen und so durften wir uns alle mal die Finger an einem 85 Grad heißen Bach verbrennen. Außerdem ist auch hier die Landschaft wunderschön.

Nähe Ankober
Unsere Zelte auf dem Gelände des alten Palasts Menelik II.

Mein letztes Wochenende habe ich bei Ankober verbracht. Der etwa 2,000 Einwohner beheimatende Ort war einst Hauptsadt und beinhaltet den alten Palast Meneliks II bevor er nach Addis Ababa zog. Unser eigentlicher Fremdenführer, den wir dieses Mal für eine längere Bergtour nutzen wollten, hatte plötzlich jedoch verschiedene Verabredungen während unserer Anwesenheit und so haben wir auf ihn verzichtet und unsere Zelte auf dem Gelände des ehemaligen Palasts auf einer Berg-/Hügelspitze aufgeschlagen.

Telefon im alten Palast Menelik II.

Meiner Erfahrung nach braucht man in Äthiopien gar nicht erst mit festen Erwartungen irgendwo hinzugehen, weil es doch immer anders kommt. In diesem Fall ging es nach der Pleite mit dem Führer damit weiter, dass der Palast viel schlichter als erwartet, aber das Gelände mit der sehr beeindruckenden Aussicht sehr schön gestaltet ist. Der Herrscher Menelik II. war wie man uns sagte der erste Auto- und Telefonbesitzer in Afrika und Telefon und so kann man beispielsweise alte Telefone in dem hölzernen „Palast“ finden.

Tanzaufführung

Völlig unerwartet kam, dass wir nun vielleicht mit unserem Lagerfeuer dort ins Fernsehen kommen. Denn während wir dort saßen wurden plötzlich zwei große Scheinwerfer und eine Kamera neben uns aufgebaut und ein Musiker hat uns etwas auf einer Masenqo, einem traditionellen einsaitigen Zupfinstrument, vorgespielt. Irgendwann kam auch noch eine Kameradrohne zum Einsatz. Es ging aber nicht um uns, sondern eine Gruppe aus Tänzern und Sängern, die traditionelle Musik und Tänze performten und uns zum Mitspielen und -tanzen aufgefordert haben. Am nächsten Morgen hatten wir noch eine geführte Tour und haben in einem kleinen Bauernhof Kaffee und Injera (Sauerteigfladen) mit einer Art Chillipulver bekommen. Dieser Ort war ziemlich kalt, immer wieder neblig und feucht, sodass wir am Ende doch froh waren, als wir zurück in Addis Ababa ankamen.

Nähe Ankober
Entoto bei Sonnenuntergang

Für beeindruckenden Aussichten muss man Addis Ababa auch gar nicht verlassen. Der bewohnte Entoto hier, den ich nun schon zum zweiten Mal besichtigt habe, ist meiner Meinung nach auch immer einen Besuch wert.

Danke fürs Interesse, nächstes Mal stelle ich Euch also verschiedene Einwohner der Hauptstadt Äthiopiens und ihre spannenden Lebensgeschichten vor.

Von Fußball und Lastenrädern: Meine aktuellen Projekte

Liebe Leserinnen und Leser,
Heute gibt es mal einen Blogeintrag der anderen Art. Heute werde ich mich mal ganz auf meine Arbeit bei FABIO fokussieren. Wie schon geschildert, haben wir das Fahrrad-Ambulanz-Projekt, das von meinem Vorgänger angefangen und nun von mir und meinem Kollegen Brian betreut wurde, vor gut zwei Wochen abgeschlossen. Hauptsächlich zwei neue Projekte beschäftigen mich nun, für eines davon benötige ich eure Unterstützung.

SoccAfrica
Die Initiative zu SoccAfrica ging von einer langjährigen deutsche Partnerorganisation aus. Die Idee dahinter ist, dass deutsche Fußballer und Fußballerinnen Fahrräder an junge Spielerinnen und Spieler in Uganda, Burkina Faso und Namibia spenden.
Fußball erfreut auf dem gesamten afrikanischen Kontinent großer Beliebtheit, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Viele von ihnen haben aber Schwierigkeiten, zu Spielen und zum Training zu gelangen, da die Distanzen oft groß und die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln teuer ist. Ein Fahrrad kann jungen Menschen nicht nur dabei helfen, besser zum Fußballplatz zu gelangen, sondern wäre auch wertvoll bei der Fahrt in die Schule oder bei der Verrichtung anderer täglicher Aufgaben.
Vonseiten FABIOs bin ich nun der Ansprechpartner. Momentan arbeiten wir noch an einem Konzept zur Verwirklichung des Projekts. Ich habe bereits einen Flyer erstellt, mit dem wir später an die deutschen Clubs herangehen wollen. Hauptsponsor soll möglichst ein Bundesligaspieler mit afrikanische Wurzeln werden.

Lastenräder für Uganda
Dieses Projekt habe ich selbst initiiert. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen bei FABIO haben wir ein Konzept dafür entwickelt. In „Lastenräder für Uganda“ geht es um den Bau zweier Lastenrad-Prototypen, die für Uganda geeignet sind, ein gewöhnliches Modell und eines für Menschen mit Behinderung.

Arbeitslosigkeit oder ein sehr geringes Einkommen ist in Uganda weit verbreitet, vor allem unter jungen Menschen. Neben fehlenden Arbeitsplätzen und mangelnder Bildung macht vielen Menschen auch der schwierige Transport von Waren zu schaffen. Günstige Transportmittel wie Fahrrad und Motorrad können nur sehr wenig Güter transportieren, Minibusse und Lastwagen sind wiederum sehr teuer. Menschen mit körperlicher Behinderung haben es besonders schwer. So sind Unternehmer/innen meist gezwungen, ihre Waren an einem Ort zu verkaufen, anstatt sie flexibel an Plätzen anzubieten, an denen gerade Nachfrage herrscht. Verkäufer/innen müssen oft 30 bis 35 Prozent ihres Gewinns für Transport zum Markt aufwenden.

Schon vor Beginn meines Freiwilligendienstes hatte ich die Idee, ein Projekt mit Lastenrädern zu starten. Durch Gespräche mit meinen Kollegen und durch eigene Erfahrungen habe ich dann erst gemerkt, wie gut diese Idee zu Uganda passt. Auch FABIO hat schon länger vor, Lastenräder zu bauen und es gibt bereits mehrere erfolgreiche ähnliche Projekte, z.B. in Ruanda, Äthiopien und Tansania. Also haben wir gemeinsam ein Konzept entwickelt. FABIO will Lastenräder für Menschen mit und ohne Behinderung bauen, um ihnen eine stabile und ausreichende Einkommensquelle zu verschaffen. Wir wollen die Lastenräder sowohl an Einzelunternehmer/innen als auch an Gruppen von Verkäufern und Verkäuferinnen geben, die damit z.B. gesammelt ihre Waren zum Markt transportieren und so ihr Einkommen verbessern können.
Da das Wissen zum Bau von Lastenrädern in Uganda nicht verbreitet ist, wollen wir von FABIO mit diesem Projekt zwei Prototypen bauen und testen, bevor wir Lastenrad-Projekte im größeren Stil planen. Durch den Bau der Fahrrad-Ambulanzen sind schon Erfahrungen beim Arbeiten mit Metall (biegen, flexen, schweißen) vorhanden. Die zum Bau benötigten Materialien sind in Jinja leicht zu bekommen. Konkret geht es um den Bau eines gewöhnlichen Lastenrads mit drei Rädern und einer Ladefläche vorne sowie um die Konstruktion eines handbetriebenen Modells (evtl. mit elektrischem Unterstützungsmotor) für Menschen mit körperlicher Behinderung.
Die zwei Prototypen sollen bereits gegen einen kleinen Betrag an junge Unternehmer/innen ausgegeben werden und diesen helfen, ein besseres Einkommen zu erwirtschaften. Ist dieses Pilotprojekt erfolgreich, erhoffen wir uns dadurch Gelder von größeren Organisationen und Stiftungen für weitere Lastenrad-Projekte.
Auch sind wir für dieses Pilotprojekt noch auf externe Werkstätten und Arbeitskräfte angewiesen. Langfristig planen wir aber den Bau einer eigenen Werkstatt, in der mehr Lastenräder und auch Fahrradambulanzen gebaut werden können. Ist das Pilotprojekt erfolgreich, können wir uns mit dieser Idee leichter an größere Geldgeber wenden.

Für Entwicklung und Bau der für dieses Pilotprojekt benötigten zwei Lastenräder benötigen wir ca. 1.600 Euro. Dieser Betrag beinhalten sowohl Material- und Transportkosten, als auch Löhne für Arbeitskräfte, die uns beim Bau unterstützen, und für meinen Kollegen, der das Projekt zusammen mit mir umsetzen wird.

Falls euch das Projekt zusagt und ihr uns bei der Umsetzung unterstützen wollt, würden wir uns sehr über eine Spende freuen! Dies läuft über das Portal betterplace.org. Zum Spendenformular geht es hier.
Betterplace wird euch eine Spendenquittung ausstellen.

Ihr habt noch Fragen? Ihr hättet gern eine Druckversion der Projektbeschreibung? Schreibt mir einfach: franz@la-stiegler.de

Vielen Dank!

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht
Franz

Von Rollstuhlrennen, Fantas und einer Lebensmittelvergiftung

Eines schönen Nachmittages, ich sitze grade in der Sonderschule, hielt mir Mana ein Bild vor mein Gesicht und rief laut „Fanta!“. Das Bild ist Teil eines Wörter-lern-Sets und im ersten Moment war ich einfach nur stolz, dass er das Wort korrekt ausgesprochen hat. Doch im zweiten Moment sah ich meine Kinder an und fragte sie, ob sie alle Fanta mögen würden. Die Reaktion war eindeutig: Hände wurden in die Luft geworfen und die Frage lautstark bejaht. Und während wir den Nachmittag weiterspielten, formte sich so langsam eine Idee in meinem Kopf. Die Kinder verlassen unser Center selten, um nicht sagen zu müssen nie. Und um für 26 Kinder eine Fanta auszugeben reicht das Geld des Centers lange nicht. Gleich am nächsten Morgen besprach ich meine Idee mit dem Teacher. Dieser nickte und sagte: „But we will need help“. Gesagt, getan: Linus und ich erwarteten sowieso Besuch aus der Hauptstadt und diesen weihten wir sogleich in unseren Plan ein. Allesamt zeigten sie sich bereit, uns zu unterstützen und so war es beschlossene Sache. Wir würden am Samstag mit einigen Kindern in die Stadt fahren und gemeinsam eine Fanta trinken. Die Vorfreude war groß – nicht nur bei den 17 Kindern, die wir mitnehmen würden, sondern auch bei mir. Es sollte für viele das erste Mal sein, das Center zu verlassen.

Samstagmorgen, 10 Uhr. Amelie, Pauline, Freddy, Jakob, Linus und ich stapfen zu meinem Center und werden von unglaublich fröhlichen und aufgeregten Kindern begrüßt. Kaum eine Stunde später sind wir alle auf dem Weg durch die Stadt in unser Lieblingsrestaurant. Die Sonne verbrennt uns, aber es werden fröhlich Lieder gesungen und gelacht. Im Restaurant bei Peter, der mittlerweile ein guter Freund von uns geworden ist, organisieren Linus und ich Amandazi (Teigbälle), Fanta und Tee. Ich helfe beim Füttern und alle essen fröhlich drauf los.

Ich sehe mich um und bin glücklich. Ich bin glücklich, weil die Kinder es sind. Was für uns eine Kleinigkeit ist, hat es geschafft all diesen Kindern ein strahlendes Lächeln in ihr kleines Gesicht zu zaubern. In Windeseile sind die Amandazi verputzt und der letzte Tropfen Fanta in ihren Bäuchen. Es wird noch ein bisschen erzählt und gelacht, doch schließlich heben wir unsere verbrannten Schultern wieder der Sonne entgegen und verlassen den Hinterhof des Restaurants.

Auf dem Weg nach Hause starren uns alle unablässig an. Sechs weiße und 17 behinderte Kinder. In einem kleinen Dorf wie Ngarama sorgt das für Aufsehen und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob man meine Aktion gut fand, oder mich dafür vielleicht sogar verurteilte. Im Grunde spielt das aber gar keine Rolle – ich würde es jede Zeit wieder tun. Der Rückweg dauert nicht so lange wie der Hinweg, was zum einen daran liegt, dass es bergab geht, sodass man sich beinahe an die Rollstühle hängen muss und zum anderen daran, dass die Jungs die Zeit kurzerhand reif für ein Rollstuhlrennen befunden haben. Was mir zunächst aufgrund eines so gut wie nicht vorhandenen Weges mein Herz stoppen lässt, wird kurz später auch von mir für sicher befunden und zum Spaß für jeden von uns, auch für die Kinder, die nicht im Rollstuhl sitzen. Alle rennen, springen und die Kinder lachen den ganzen Weg. Zurück im Center bedanken sich sie sich bei uns und wir trommelten und tanzten zum Abschied. Es geht mir nahe, wie dankbar und fröhlich jedes Kind ins Center zurückgekehrt ist. Ein Ausflug in die Stadt war für sie ein großes Abenteuer. Und ich bin nicht sicher, ob mich das glücklich oder traurig machen soll. Ein schöner Tag neigt sich dem Ende entgegen, der jeden zum Lächeln bringen konnte. Und das ist es, was ich wollte. Auf dem Rückweg setzen wir sechs uns erschöpft aber durchaus zufrieden in die Bar unseres Dorfes und bestellen Bruchette (Ziegenfleischspieße), während wir Blackstories spielen. Am nächsten Tag verlässt der Besuch uns und fährt zurück nach Kigali. Linus und ich fallen in unseren Alltag und sind eine Woche später selbst auf dem Weg nach Kigali für unseren Kinyarwanda Kurs. Dort angekommen finden wir fast alle mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Magenproblemen vor und Jakob wird noch am selben Abend mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Die Ursache ist für die Stadtmenschen schnell gefunden – das Dorf. Linus und ich lachen. Für das Dorfleben ist eben nicht jeder geschaffen.

Vielfältige Verwirrungen

Kulturverwirrungen, subtropische Weihnachtsstimmung und Mangobäume, so zahlreich wie bei uns die Apfelbäume

Einige Zeit ist vergangen, seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe. Vielleicht weil sich mittlerweile ein Alltag eingependelt hat. Nach 4 Monaten hier in Malawi sind mir die Dinge, die am Anfang neu und fremd waren, vertraut geworden und es ist nicht mehr alles spannend und aufregend wie am Anfang, sondern normal, manchmal vielleicht auch nervig, aber vor allem ganz einfach zu meinem Alltag geworden.

Kleine Kulturverwirrungen

Je nach Tagesstimmung freue ich mich, dass jeder mich grüßt oder bin genervt davon, dass ich hier immer auffalle und nie unbemerkt und von Grüßen überhäuft durch die Stadt laufen kann. Manchmal bin ich schier am Verzweifeln, wenn mal wieder kein Strom da ist (vor allem wenn ich Hunger habe), meistens nehme ich es einfach hin, so ist das hier nun mal. Ich habe erkannt, dass „power cuts“ (Zeiten, wenn wir keinen Strom haben) sehr viel weniger schlimm sind, als „water cuts“ (Zeiten, in denen wir kein Wasser haben), denn wenn ich nach einer Minibustour keine Hände waschen kann, entspricht das einfach nicht meinen Hygienevorstellungen. Zum Glück sind solche „water cuts“ sehr viel seltener als „power cuts“, die bei uns zu Hause im Gegensatz zu den meisten anderen Areas Lilongwes auch nicht dadurch kommen, dass kein Strom geliefert wird, sondern ganz einfach deshalb, weil meine Mitbewohner es nie auf die Reihe kriegen, neue „units“, so nennen wir die Energieeinheiten, zu kaufen (: offensichtlich verhalten sie sich dabei ähnlich, wie die meisten Malawier beim Tanken: bloß nicht volltanken, lieber 10mal zur Tankstelle fahren und immer nur für 1000-2000 MWK (ca. 2 €) tanken. Ein kleiner Einblick in die alltägliche „Kulturverwirrung“ und ich schreibe bewusst Verwirrung, ich finde Kulturschock in diesem Zusammenhang etwas übertrieben, ich bin ja nicht geschockt, bloß verwirrt!

So ist das, doch im Allgemeinen bin ich mit meinem Leben hier sehr zufrieden. Oft denke ich, dass sich das Leben in einiger Hinsicht stark von meinem Leben in Deutschland unterscheidet, andererseits in vieler Hinsicht ziemlich ähnlich ist. Ich habe mein gemütliches Zimmer mit Bett, Schrank, Regal und Fotos an der Wand, gehe morgens zur Arbeit, komme abends wieder, kaufe auf dem Weg im Supermarkt oder auf dem Markt ein, trinke gemütlich einen Tee oder Kaffee (vorausgesetzt es gibt Strom), lese viel, schaue auch mal einen Film… Im Grunde ein nicht allzu anderes Leben als in Deutschland. Wenn ich mir dann in Erinnerung rufe, dass ich aus Deutschland, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, in Malawi, einem der ärmsten Länder der Welt, gelandet bin, denke ich mir, dass es sich im Allgemeinen auf dieser Erde wohl ganz gut leben lässt. Natürlich vorausgesetzt es herrscht Frieden, und Malawi ist wirklich ein überaus friedliches Land.

Subtropische Weihnachtsstimmung
Adventsstimmung mit Weihnachtsplätzchen und Kerzen

Heute ist der 13. Dezember… Ich bin jedes Mal kurz verwirrt, wenn ich mir das Datum in Erinnerung rufe, dann nach draußen schaue, mir eine Minute vorher überlegt habe, dass es schon wieder jetzt um 10 Uhr viel zu heiß ist. Mein Verständnis von Mitte Dezember ist einfach nicht in Einklang zu bringen mit dem, was ich sehe und spüre. Dann stelle ich mir vor, dass ihr in Deutschland gerade mitten in der Weihnachtszeit steckt, eure Wolljacken tragt, nicht ohne Mütze und Schal aus dem Haus geht und überall die Weihnachtsmärkte mit Glühwein und gebrannten Mandeln aus ihren Verstecken gekrochen sind. Ich frage mich, vermisse ich die Weihnachtszeit oder freue ich mich, Weihnachten einmal ganz ohne viel Trubel und Weihnachtsschnickschnack zu verbringen? Vielleicht ein bisschen von beidem. Auf jeden Fall hole ich mir die Weihnachtszeit zwischendurch auch immer wieder hierher in die subtropische Hitze. Ich höre Weihnachtslieder, zünde Kerzen an, lerne Sockenstricken und esse Plätzchen!! Plätzchen? Ja, denn ich habe das große Glück, dass Amelie und Anne mir in Lüneburg Plätzchen gebacken haben und Carl mir diese rechtzeitig zur Adventszeit mit nach Malawi gebracht hat… Ich habe mich noch nie so über eine Keksdose mit Weihnachstplätzchen gefreut, das könnt ihr mir glauben!! So konnte ich am ersten Advent ein gemütliches Adventsfrühstück machen, mit Weihnachtsmusik und Kerzen, Plätzchen und Kaffee und – um den malawischen Touch nicht zu vergessen – Mango.

Die Regenzeit in Zeiten des Klimawandels

Immer öfter haben wir nun Tage, an denen es regnet, die Regenzeit bahnt sich an, doch zwischendurch, wenn die Sonne ordentlich scheint, wird es immer heißer und heißer und ich verkrieche mich im Haus oder im Schatten. Nach einem Regenguss fällt die Temperatur dann von über 30 °C auf die unteren 20er und ich ziehe mir, meinem neuen Kälteempfinden folgend, lieber einen dünnen Pulli über. Alle hoffen, dass die starken Regenfälle so bald wie möglich kommen. Im Süden haben die meisten Bauern schon gesät und auch um Lilongwe herum ist jede freie Fläche für die Landwirtschaft präpariert. Der Regen wird sehnlichst erwartet und ich bin gespannt, wie die starken Regenfälle sich auf das Leben hier auswirken werden. Für die Bevölkerung Malawis ist es sehr wichtig, dass der Regen bald kommt und dann auch eine ordentlich große Menge an Wasser bringt. Denn der größte Teil der Bevölkerung lebt auf dem Land und baut ihre Nahrungsmittel, hauptsächlich Mais, selber an, wodurch ihr Leben stark von den Regenfällen abhängt. Doch mit dem Klimawandel lässt sich der Beginn der Regenzeit nicht mehr so gut vorhersagen, wie noch vor einigen Jahren. Auch die Trockenperioden während der Regenzeit sind in den letzten Jahren häufiger geworden und können dazu führen, dass es Ernteausfälle gibt und die Ernte nicht ausreicht, um die Familien für ein ganzes Jahr zu versorgen. Also drücken wir die Daumen, dass der Regen nicht mehr lange auf sich warten lässt und dann auch ohne große Pausen bis zum Ende der Regenzeit im April bleibt.

Eindruck aus dem grünen Mchingi nahe der Grenze zu Sambia
Mangobäume so reichlich wie Apfelbäume in Deutschland

So wie bei uns in Deutschland in vielen Gärten Apfelbäume stehen, findet man hier überall Mangobäume. Reich behängt mit den leckeren Früchten, stehen die Bäume überall in Malawi. Durch das unterschiedliche Klima sind die Mangos in den heißen Seeregionen schon reif, während wir in Lilongwe noch warten die Mangos vom Baum essen zu können. Solange kaufen wir die Mangos, die die Händler aus den Seeregionen in Massen in die Stadt bringen. Jeden Tag esse ich mindestens eine Mango, könnt ihr euch das vorstellen?

Mangos über Mangos
Mangobaum in Ntcheu
Dorfleben

Kein fließend Wasser, Nsima én mass und Kinder, die von deinem Fotoapparat endlos begeistert sind… Das sind nur einige Aspekte, die ich in meiner Woche Dorfleben erfahren konnte. Anfang November hatte ich das große Glück, für eine Woche in einer Gastfamilie in einer kleinen „community“ (Dorfgemeinschaft) in Ntcheu leben zu dürfen. Das Kusamala Institute hat dort ein Projekt und so organisierte Arthur, ein Kollege, mir diese besondere Erfahrung. Bedenkt man, dass der größte Teil der Bevölkerung Malawis auf dem Land lebt, konnte ich so erstmals das richtige malawische Leben kennenlernen. Das Leben ist einfach, vor der Regenzeit gab es nicht allzu viel zu tun, die Kräfte werden gesammelt für die Zeit, wenn der Regen kommt und jede Energie auf dem Feld gebraucht wird. Ich erfuhr, wie es ist, ohne fließend Wasser zu leben und das Wasser vom Brunnen zu holen. Schon die Kinder können Mengen an Wasser auf ihrem Kopf transportieren, es ist beeindruckend. Strom gibt es nicht, gekocht wird auf Feuer. Im „Garten“ (eher ein Hinterhof mit Sandboden) laufen die Hühner herum und eines Morgens wurde eines der Hühner eingefangen und zum Mittagessen gab es dann Nsima (natürlich, immer!) und Hühnchen.

Auf dem Dorf in Ntcheu
Ein weiter Weg von der Straße und nächsten Einkaufsmöglichkeit bis zu dem kleinen Dorf

 

 

 

 

 

 

 

Alle in der Dorfgemeinschaft fühlten sich sehr geehrt, dass ich bei ihnen zu Besuch war. Dabei, so dachte ich mir, sollte doch ich diejenige sein, die sich dankbar zeigt und sich geehrt fühlt, dass diese Menschen mich so herzlich aufnehmen. Ich lernte die „Village Bank“ kennen, wo Frauen zusammenkommen und ihr Geld zusammen sparen und dadurch kleine Kredite ausgeben können, falls jemand unter ihnen ein kleines „business“ starten will. Jeden Abend kamen die Kinder und wollten mit mir Englisch reden, was jedoch nicht so einfach war. Wir hatten trotz starker Verständigungsprobleme (meine Chichewa-Kenntnisse halten sich leider immer noch in Grenzen) unseren Spaß zusammen und als ich am letzten Abend meine Kamera rausholte, waren alle hellauf begeistert. Meine Gastfamilie war sehr herzlich, wir aßen zusammen, ich lernte wie man „Telele“ (Okraschoten) und Nsima kocht, wir knackten zusammen Erdnüsse und hatten allgemein eine schöne Zeit. Es war ein ruhiges Leben dort in dem Dorf und doch auch ein bisschen anstrengend, denn viel Zeit für mich hatte ich nicht. Immer wollte jemand mit mir reden, und wenn ich einmal kurz Zeit für mich haben wollte und mein Buch rausholte, waren die Leute verwirrt, Bücher lesen ist nicht so weit verbreitet hier! Als ich zurück nach Lilongwe kam, wurde mir das erste Mal bewusst, wie sehr ich doch in einer großen Stadt lebe. Viel Trubel, viele Autos, viel Lärm und ich war froh, als ich endlich wieder zu Hause in meinem ruhigen Garten war, mein Buch zu Ende lesen konnte und mir eine leckere Pasta kochen konnte, die ich nach einer Woche Nsima dann doch sehr genoss.

Posen für das Foto mit Wassereimern auf dem Kopf 😉
Beim Erdnüsse-Knacken mit meiner Gastfamilie

Franz in Uganda 3: Advent im Hochsommer

Es ist Montag der 10. Dezember, ein Tag nach dem zweiten Advent, und ich sitze draußen auf unserer Veranda. Es ist ausnahmsweise mal kühl, ein Blitz erhellt die Dunkelheit und ein paar Sekunden später fängt es an, wie aus Eimern zu schütten. Ich flüchte mich nach drinnen. Kurz ist der Strom weg, nach 5 Minuten gehen die Lichter aber wieder an. Von fern tönt Musik von irgeindeiner Veranstaltung. Hier ist gerade die Festival-Hochsaison, überall stehen Bühnen, so gut wie jedes Wochenende ist irgendetwas los in Jinja. Morgen fängt hier dann die Landwirtschaftsmesse an, anscheinend eine ziemlich große Sache. Richtig ruhig ist es hier zur staaden Zeit irgendwie nicht. Aber trotzdem und auch trotz der sommerlichen Temperaturen kommt bei mir so langsam Weihnachtsstimmung auf, befördert auch durch die Plätzchen, die mir meine Familie geschickt hat. Gestern waren wir im Mabira Forrest, einem kleinen Regenwald ganz nahe an Jinja gelegen. Auch wenn der Wald mit seinen riesigen Brettwurzelbäumen, Lianen und seltsamen Pflanzen sehr aufregend  war, irgendwie war die Wanderung auch ein bisschen besinnlich und passte für mich gut zum Advent.

Es ist ziemlich viel passiert, seit ihr das letzte Mal von mir gehört habt. Das liegt einerseits daran, dass ich dem örtlichen Volleyballclub beigetreten bin und so fast jeden Tag direkt nach der Arbeit ins Training fahre und so weniger Zeit zum Schreiben habe. Zum anderen Teil liegt es daran, dass ich arbeitstechnisch einfach viel mehr eingespannt war als bisher. Neben dem Fahrrad-Ambulanzprojekt, das mich weiterhin beschäftigt hat, haben sich auch noch zwei weitere Projekte entwickelt. Einmal das von mir initierte Lastenrad-Projekt, für das ich ein Konzept verfasst habe und für das ich derzeit das Fundraising vorbereite. Und dann „SoccAfrica“, ein von einer deutschen Partnerorganisation gestartetes Projekt, bei dem deutsche Bundesligaprofis Fahrräder an junge Fußballerinnen und Fußballer in Uganda, Namibia und Burkina-Faso spenden sollen. Vonseiten FABIOs bin ich jetzt der Hauptverantortliche für das Projekt und helfe bei der Entwicklung des Konzepts und beim Fundraising. Über diese beiden Projekte werde ich aber in Kürze nochmal einen Blogartikel verfassen.

Und was ist sonst noch so passiert?

Am 9. Oktober war Independence Day. Dieses Jahr jährt sich die Unabhängigkeit von Großbritannien zum 56. Mal. Der Feiertag kommt irgendwie unerwartet und wir wissen nicht so recht, was wir damit anfangen sollen. Was macht man denn als Ugander da? Auf Facebook jedenfalls häufen sich patriotische Botschaften und Bildchen, die „Happy Independence Day!“ wünschen. Als wir so etwas ratlos am Frühstückstisch sitzen, ruft Joel, ein Kollege meines Mitbewohners Jakob an und fragt uns, ob wir Lust auf eine Bootstour auf dem Viktoriasee haben. Das haben wir natürlich und 20 Minuten Boda-Fahrt später stehen wir am Strand von Walukuba/Maseese, einem nördlichen und etwas ärmlichen Stadtteil Jinjas. Am alten Kai sind Sessel aufgebaut, auf denen man sich mit dem See im Hintergrund und Uganda-Flaggen links und rechts fotografieren lassen kann. Für die Bootstour ist es natürlich äußerst praktisch Joel dabeizuhaben, der den Preis auf einen Bruchteil dessen verhandeln kann, was wir als „Mzungus“ zahlen würden. Also geht es los, vorbei an den Unterwasser-Käfigen für Viktoriabarsche, der Gefängnishalbinsel, die der König von Busoga extra für diesen Grund hat aufschütten lassen, vorbei an den Fischermärkten bis hin zum alten Hafen aus der Kolonialzeit. Der Guide erklärt uns, die Schiffe dort kämen aus Tansania und Kenia und brächten Waren aus China und anderen Ländern. Inzwischen habe ich aber erfahren, dass heutzutage so gut wie alle Waren von den Häfen Mombasa und Daressalam über LKWs ins Land kommt und der Hafen schon lange nicht mehr genutzt wird.

Eine Woche später geht es mal wieder nach Kampala. Zusammen mit meinem deutschen Kollegen Georg aka „George“ wollen wir uns das Länderspiel Uganda vs. Lesotho ansehen. Es handelt sich um ein Qualifikationsspiel zur Afrikameisterschaft nächstes Jahr in Kamerun. Auf der Hinfahrt erläutert uns Georg die fußballerischen Verhältnisse in Afrika. Angeblich sind die „Uganda Cranes“ eine der besten Mannschaften Ostafrikas, letztes Jahr wäre um ein Haar die erste WM-Qualifikation geglückt, man scheiterte aber knapp an Ägypten.
Das „Nelson Mandela National Stadium“, oder einfach „Namboole Stadium“ steht etwas außerhalb im Westen der Stadt auf einem Hügel und ist von weitem sichtbar. Schnell kaufen wir uns noch Tickets aus irgendeinem mysteriösem Auto mit abmontiertem Nummernschild für schlappe 15.000 Schilling (ca. 3,50€) und reihen uns in den Zug hoch zum Stadion ein. Auf dem Weg dorthin muss ich gefühlt 100 Personen abwehren, die mir irgendwelche Fanartikel verkaufen wollen. Als mir ein Mann mit Pinsel und schwarzer, roter und gelber Farbe auf mich zukommt, überlege ich kurz, mir spaßeshalber statt der ugandischen die deutsche Fahne aufmalen zu lassen, lasse es dann aber bleiben. Als wir kurz vor Spielbeginn am Gate ankommen, ist der Andrang schon groß. Wir werden förmlich eingequetscht in den drängelnden Menschenmassen. Ich kann sogar meine beiden Füße hochheben und werde allein von dem Druck der Menschen um mich herum in der Luft gehalten! Als wir endlich durch die von Soldaten durchgeführten Ticketkontrollen sind, fühlen wir uns, als wären wir einmal durch den Fleischwolf gedreht worden. Später erfahren wir noch, wie es anderen Freiwilligen beim Einlass zu diesem Spiel ergangen ist. Bei den einen erklärten die Soldaten die Tickets aller Anwesenden für ungültig woraufhin die Menschen versuchten, über die Zäune zu klettern und das Militär Wasserwerfer einsetzte. In dem darauf folgenden Chaos gelang es ihnen, doch noch ins Stadion zu kommen. Die anderen Freiwilligen wählten dagegen den ganz eleganten, wenn auch etwas fragwürdigen Weg: 5000 Schilling an den Polizeibeamten und schon war man durch den Hintereingang im Stadion…
Als wir endlich drinnen sind, läuft das Spiel schon seit 5 Minuten und kaum haben wir uns hingesetzt, steht es auch schon 1:0 für die Cranes. In den folgenden 90 Minuten hat Lesotho den Ostafrikanern wenig entgegenzusetzen und nach einem munteren Spiel gewinnt Uganda verdient mit 3:0 gegen die Mannschaft aus der südafrikanischen Enklave.

Am darauffolgenden Montag hat der deutsche Botschafter in Uganda alle im Land tätigen deutschen Freiwilligen zu einem Empfang in seiner Residenz im Kampaler Nobelviertel Kololo geladen. Jeder von uns soll möglichst mit einem Vertreter seiner Organisation in Uganda kommen. Da die deutsche Botschaft auch Projekte meiner Organisation FABIO sponsert, lässt es sich meine Chefin Katesi nicht nehmen, persönlich aufzutauchen. Ich hatte eigentlich mit einem Haufen von vielleicht 50 Freiwilligen gerechnet. Als wir dann aber ankommen, befinden sich dort bestimmt schon 200 junge Deutsche. So viele Muzungus habe ich seit zwei Monaten nicht mehr gesehen! Zu Beginn der Veranstaltung begrüßt uns der Botschafter Dr. Conze, danach stehen wir eigentlich nur noch die ganze Zeit im gepflegten Residenzgarten, reden mit fremden Leuten deutsch, trinken fränkischen Wein aus Boxbeuteln und lassen uns Bratwursthäppchen reichen. Afrika ist in diesem Augenblick gefühlt sehr weit weg. Der Abend hat anscheinend nur die Vernetzung von Freiwilligen, Organisationen und der Botschaft zum Zweck. Das gelingt meiner Meinung nach eher mäßig. Irgendwie ein bisschen absurd dieser Abend, aber auch schön!

Im letzten Jahr hat FABIO ein Projekt namens „Cycle to School“ durchgeführt, bei dem Kinder einer Schule in Budondo mit Fahrrädern ausgestattet wurden. Nun ist es wieder an der Zeit, eine Umfrage bei Kindern, Eltern und Lehrern über die Nutzung und die Auswirkungen der Räder durchzuführen. Das gehört zum „Monitoring and Evaluation“, das FABIO nach Projekten standardmäßig durchführt.
Also fahre ich eines Tages zusammen mit Brian, Georg nach Budondo. Auch Georgs Bruder und dessen Freundin aus Deutschland sind dabei. Sie organisieren in Deutschland maßgeblich den FABIO Deutschland e.V., der Fundraising für uns betreibt.

Die Schule ist relativ groß, die Gebäude bilden einen weitläufigen Innenhof. Als wir ankommen, findet gerade die Essensausgabe statt und die Schüler und Schülerinnen sitzen im Gras und essen. Da die Lehrer die Fragebögen später im Unterricht ausfüllen lassen wollen, bleibt uns zwei Stunden eigentlich nichts zu tun. Wir beschließen, eine nahegelegene Weberei zu besuchen, von der Georg mal gehört hat. Dort angekommen bekommen wir eine kleine Führung. In der Weberei wird wirklich alles von Hand gemacht, benutzt werden alte Webstühle. Die erzeugte Ware ist wirklich sehr hochwertig und wird im kleinen Laden nebenan verkauft. Es ist sehr interessant, den Leuten zuzusehen und es erinnert mich gleich daran, wie wir in der Schule mal gewebt haben. Schade, dass es hier nur so wenig solcher Initiativen gibt.
Zurück an der Schule sind alle Bögen fertig ausgefüllt und es geht zurück nach Jinja. Nun müssen wir diese nur noch auswerten.

Auch die „Organization Assessment Meetings“ von FABIO finden noch ein paarmal statt. Wieder treffen wir uns mit unserer Beraterin und reden viel über die Organisation, seine Ziele, Werte, Mission und Vision. Das ist manchmal sehr interessant, zieht sich auf die Dauer aber auch ganz schön in die Länge. Immerhin steht nun, nach Abschluss des Prozesses, ein neuer Organization Development Plan sowie ein Strategieplan für die Zukunft.

Mitte November machen wir zusammen mit Tashina, Joana und Pia, drei anderen Freiwilligen in Jinja, einen mehrtätigen Ausflug zu den Murchison Falls, einem der größten Nationalparks Ugandas. Es ist für uns eigentlich das erste Mal, dass wir mal mehr sehen von dem Land, bis jetzt sind wir immer zwischen Jinja und Kampala gependelt. Der Park liegt im zentralen Westen Ugandas, direkt an der Grenze zum Kongo. Hier fließt der Viktoria-Nil in den Albertsee und verlässt diesen als Albert-Nil wieder. Ein Kollege von Jakob hat uns einen Guide organisiert, der uns direkt aus Jinja mit dem Auto abholt, was die ca. achtstündige Anreise wesentlich komfortabler macht.
Wir uns darauf eingestellt, großen und sehr großen Tieren zu begegnen. Was wir aber nach dem Einritt in den Park als erstes sehen ist: eine kleine Schildkröte, die vor uns gemächlich die Straße überquert. Doch schon kurz darauf ruft irgendjemand „Elefant“! Tatsächlich. Da steht er also, keine zwanzig Meter entfernt und glotzt uns fassungslos an und wir glotzen fassungslos zurück. Es ist wirklich erstaunlich, wieviel Tiere wir allein am ersten Tag sehen: Giraffen, Elefanten, Antilopen, Büffel, Wildschweine, Affen. Und in der Nacht in der Lodge im Park besucht uns Gloria, ein riesiges Nilpferd und ihre Tochter und grast friedlich auf dem Zeltplatz.
Der nächste Tag beinhaltet dann nochmal einen Gamedrive bis zum Albertsee und eine Bootstour zu den imposanten Wasserfällen, wo wir nochmal wahnsinnig vielen Nilpferde, ein paar Krokodilen, vor allem aber wahnsinnig vielen Touristen begegnen. Am schönsten in Erinnerung bleibt mir von dem Ausflug aber die abendliche Fahrt zurück in die Unterkunft. Abendrot, endlose Savanne, Akazien, Giraffenherden am Horizont… Es entspricht so sehr diesen ganzen Afrika-Klischees und den Bildern von diesem Kontinent in unserem Köpfen, dass es schon fast schon kitschig wirkt.

In der Woche danach verkündet mir meine Chefin eines Tages, dass uns MUBS, die „Makerere University Business School“ in Jinja zu einer Konferenz im Rahmen der „Global Entrepreneur Week“ geladen hat. Es sollen dort innovative Beispiele von Unternehmertum vorgestellt werden. Auf FABIO wurden die Organisatoren über die Facebook-Posts über unser Fahrrad-Ambulanz-Projekt aufmerksam. Auch wenn wir die nicht verkaufen, war man wohl von der Idee beeindruckt. Das ganze soll mit einer abendlichen Auftaktveranstaltung beginnen. Also holt mich Georg abends ab und wir kommen pünktlich um sieben Uhr am Veranstaltungsort an. Und sind dort so gut wie allein. Nach einer halben Stunde kommen die anderen FABIO-Leute, nach einer Stunde trudeln die anderen Gäste ein und erst um halb zehn treffen die Ehrengäste aus Kampala ein. Irgendwie weiß keiner so recht, was an dem Abend eigentlich passieren soll und im Endeffekt passiert dann eigentlich auch nichts, außer dass gegessen und getanzt wird. Interessant dabei: Während sich die Studenten im Hintergrund halten und bald wieder gehen, feiern und tanzen die Professoren und Professorinnen ausgiebig!
Die eigentliche Konferenz am nächsten Tag findet in einer „Berufsschule für den öffentlichen Sektor“ statt, in riesiges Gebäude mit großem Eingangsbereich und klimatisierten Räumen. Nur scheint hier eigentlich nicht wirklich etwas los zu sein, alles wirkt ziemlich ungenutzt. Bei der Veranstaltung reden dann vor allem Unternehmer vor ca. 50 Studenten über ihre Erfahrungen, auch wir dürfen das Fahrrad-Ambulanz-Projekt kurz vorstellen. Auch dabei ist ein Professor aus Kampala der das Franchising-Konzept in den Himmel lobt und alle Anwesenden auffordert, auch Franchising-Unternehmen zu gründen. Auch wenn des in den ganzen Vorträgen hauptsächlich um mehr Profit und Wachstum geht und wenig um Soziales, verstehe ich jetzt doch, warum man auch uns eingeladen hat. Denn im Grunde ist das ja genau das, was wir als FABIO in vielen Projekten machen: wir unterstützen Menschen durch Fahrräder, ihr eigenes Geld durch Verkauf und Transport von Waren zu verdienen. Also fördern wir Unternehmertum, auch wenn die Menschen nicht gleich zu Franchise-Unternehmern werden.

Auch beim vorletzten Gruppenspiel der ugandischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Cap Verde sind wir in Kampala im Stadion. Diesmal kommen wir zum Glück weniger problemlos ins Stadion. Theoretisch würde den Cranes heute ein Unentschieden genügend um sich sicher für den Afrika-Cup in Kamerun zu qualifizieren. Das Spiel ist auf einem weit höheren Niveau als die Partie gegen Lesotho, die Westafrikanischer erweisen sich als deutlich schwererer Gegner. Am Ende gewinnt Uganda aber verdient mit 1:0 und ist somit Gruppenerster.

Am 17. November gibt die Hamburger Organisation „Viva con Agua“ ein Wohltätigkeitskonzert in Kampala, bei dem zahlreiche ugandische Rapper und Rapperinnen auftreten. Aus Deutschland ist niemand geringerer als Samy Deluxe angereist, ebenso wie der Newcomer Horst Wegener. Als wir in das Gebäude eintreten, sagt man uns, das Konzert finde im obersten Stockwerk statt. Und welche Überraschung: Es gibt einen funktionierenden Aufzug! Ein absolutes Novum für mich in Uganda. Als wir oben aus dem Aufzug treten, befinden wir uns auf einer weitläufigen Dachterasse, von der man einen großartigen Blick auf die leuchtende Hauptstadt hat. Da man nur eine Bühne hat und über 30 Künstler, ist das Program wahnsinnig eng getaktet, jeder Künstler erhält nur ca. 10 Minuten, zu unserem Bedauern auch Samy Deluxe. Trotzdem ein unvergesslicher Abend, auch weil wir viele neue Bekanntschaften machen konnten.

Samy Deluxe in Kampala

Über unsere Entsendeorganisation Artefact kennen wir Mitfreiwillige in Ruanda, die wir unbedingt mal besuchen wollen. Also nehmen wir uns ein paar Tage frei und stopfen uns Dienstag Nachmittags ins Matatu nach Kampala. Dort angekommen müssen wir erstmal ca. eine halbe Stunde durch die völlig überfüllte Downtown laufen, bis wir endlich den Busbahnhof von Modern Coast erreichen. Mit unseren großen Rucksäcken in der Dunkelheit ist das alles andere als entspannt, einmal versucht jemand, von hinten meinen Rucksack zu öffnen, was Jakob gerade noch verhindern kann. Wir sind froh, endlich im Bus zu sitzen, einem großen komfortablen Reisebus wie man ihn aus Deutschland kennt. Der Bus nimmt fahrt auf, da wir fast allein im Bus sitzen, können wir uns ausstrecken und schon bald fallen mir die Augen z… BUMM! BUMM! BUMM! Ich fliege gefühlt zwei Zentimeter nach oben. Oje. An Schlaf ist bei den brutalen ugandischen Geschwindigkeitsstoppern, die sich in jeder Ortschaft befinden, leider nicht zu denken. Das kann ja lustig werden. Zusätzlich wird es mit der Zeit immer eisiger im Bus. Ich fange schon an, auf die dumme Klimaanlage zu schimpfen. Um ca. drei Uhr morgens erreichen wir dann die ruandische Grenze. Als ich aus dem Bus steige, verkrampf sich alles in mir. Nicht die Klimaanlage war so kalt, sondern draußen ist es so zapfig! Wahrscheinlich hat es um die acht Grad, aber ich bin nichts mehr gewöhnt und stehe mit zwei Pullovern und Jacke bibbernd in der Eiseskälte. Da wir unsere ugandische Work-Permits erhalten haben, dürfen wir wie alle anderen Bürger Ugandas kostenlos nach Kenia und eben auch Ruanda reisen. Nachdem wir zwei Stunden gefroren haben, unsere Rucksäcke auf Plastiktüten durchsucht wurden (die sind in Ruanda genauso wie in Uganda verboten, nur dass das Gesetz in Ruanda auch durchgesetzt wird) und dem Grenzbeamten viele dumme Fragen beantworten haben, geht es endlich wieder weiter. Und welch Glück: In Ruanda gibt es auf den Schnellstraßen keine Speedbraker und ich kann endlich etwas schlafen.

Als ich um 7 Uhr aufwache, steuern wir gerade auf die Ruandische Hauptstadt Kigali zu. Wir sind umgeben von grünen Hügeln und Teefeldern, vor uns auf dem Hügel erhebt sich die Kulisse der Stadt. Drei Dinge, die ich aus Uganda nicht kenne, fallen mir sofort auf. Erstens haben wir hier wieder Rechtsverkehr. Zweitens schauen die Boda-Bodas hier anders aus. Und drittens ist es unfassbar sauber! Durch der Innenstadt Kigalis ziehen Putzkolonnen und heben jeden noch so kleinen Schmutz. Dagegen ist Kampala ein einziges Schmutzloch. Überhaupt ist das kleine Nachbarland wirklich viel organisierter als Uganda. Es gibt z.B. Linienbusse mit festen Abfahrtszeiten, bezahlen kann man dafür bargeldlos mit einer speziellen Karte, die man beim Ein- und Aussteigen des Busses an einen Sensor hält. Sind wir hier noch in Afrika? Auf jedem Fall nicht in dem, das man sich in Europa vorstellt. Dabei macht Ruanda lediglich vor, wie es laufen kann, wenn es eine kompetente Regierung gibt. Vielleicht liegt das ja auch an den zahlreichen Frauen in der Regierung. In Sachen Geschlechtergleichheit ist Ruanda auch den meisten europäische Staaten weit voraus, das Parlament hat mit über 50 % den höchsten Frauenanteil der Welt.

Nachdem wir eine zeitlang ein Café suchend durch das Bankenviertel gelaufen sind (im Gegensatz zu Uganda gibt es in Ruanda kein Streetfood, Essen ist aus Respekt vor den Armen auf der Straße verboten), finden wir endlich ein kleines Restaurant, in dem wir auf Freddy treffen. Er ist auch deutscher Freiwilliger und zeigt uns den Weg zum Bus, den wir für die Weiterreise nehmen müssen. Und siehe da: Trotz der festen Abfahrtszeiten gilt auch in Ruanda „african time“, sodass wir erst eine Stunde später losfahren. Nach 5 Stunden Geschaukel durch die ruandische Pampa und ohrenbetäubender Gospelmusik aus dem Lautsprecher kommen wir dann endlich in Ngarama an, dem Dorf, in dem unsere Freunde Linus und Letizia wohnen. Dort verbringen wir insgesamt zwei Nächte. Die beiden zeigen uns ihre Arbeitsprojekte, ein Einrichtung für Menschen mit Behinderung und eine Schule. Hier auf dem Land ist von dem Glanz Kigalis nicht mehr wirklich viel übrig. Lediglich die hügelige Landschaft und die schlechten Englischkenntnisse der Einwohner erinnern uns daran, dass wir uns nicht in Uganda befinden. Meine Französischkenntnisse helfen mir durchaus weiter, da ich ja nicht mal mit meinen kleinen Luganda-Wortschatz weiterkomme. Die ehemalige deutsche und dann belgische Kolonie hat vor ein paar Jahren die Amtssprache von Französisch in Englisch umgestellt, trotzdem scheint das hier noch nicht durchgedrungen zu sein. Auf dem ruandischen Land wird meist Kinyarwanda und Französisch gesprochen.

Jakob, Letizia ich und Linus am Markt in Ngarama

Zwei Tage später fahren wir zusammen mit Letizia und Linus wieder zurück nach Kigali und schauen uns zusammen die Stadt an und erkunden vor allem auch das Nachtleben. Zusammen mit Jakob besuche ich auch das Genozide Memorial Centre. Es ist tief schockierend und bewegend, was in diesem Land vor gerade einmal 24 Jahren passiert ist. Die erste Ausstellung berichtet eindringlich über den Völkermord in Ruanda, der Schätzungen zufolge 800.000 bis einer Million Menschen das Leben gekostet hat. Im zweiten Teil geht es unter Anderem um Völkermorde in Kambodscha, Namibia, Bosnien Herzegowina und natürlich auch um den Holocaust. Und im dritten Teil werden Kinder vorgestellt, die 1994 in Ruanda ihr Leben verloren haben. Draußen befindet sich dann das eigentliche Denkmal, eine Anlage mit Gräbern, Rosengarten und Wasserbecken.

Zurück in Uganda gibt es gleich wieder einiges zu tun. Die Vorbereitungen für die Übergabe der Fahrradambulanzen befindet sich auf den letzten Metern. Am Samstag mieten wir einen kleinen LKW, packen alle Ambulanzen sowie Fahrräder, Werkzeug und vieles weitere darauf und fahren nach Budondo im Norden Jinjas. Dort schrauben wir alle Ambulanzen zusammen und lagern sie für den nächsten Tag im Verwaltungsgebäude von Budondo Sub-County. Am nächsten Tag radeln wir die Ambulanzen dann zum Health Center, wo die Übergabe stattfinden wird. Helfer stellen Zelte, Stühle und eine Soundanlage auf, während wir alles weitere vorbereiten. Es treffen um die 50 Leute ein, hauptsächlich Mitglieder der ehrenamtlich arbeitenden Village Health Teams, die die Fahrrad-Ambulanzen betreuen sollen. Der deutsche Botschafter in Kampala, der sich eigentlich angekündigt hatte, muss leider kurzfristig absagen. Meine Kollegen meinen daraufhin, dass einfach ich den deutschen Botschafter machen soll, woraufhin ich höflich ablehne.

Los geht das ganze obligatorisch mit den Nationalhymnen Ugandas und des Königreichs Busoga sowie einem Gebet. Es folgen zahlreiche Reden von meiner Chefin und lokalen Politikern. Im Anschluss erklärt dann Brian genau, wie die Ambulanzen funktionieren, was im Erste-Hilfe-Set enthalten ist und dass wir zusätzlich zu den Ambulanzen noch Regenmäntel, Gummistiefel, Warnwesten und Werkzeug verteilen. Es ist wirklich interessant, denn die Reden gleichen eher einem Frage-Antwort-Spiel, bei dem die Zuhörer immer einzelne Wörter ergänzen müssen. Es ist mir schon früher aufgefallen, dass die Ugander gerne einzelne Wörter mit „was?“ ersetzen, woraufhin der Gesprächspartner den Satz ergänzen muss. Ich bin meistens aufgeschmissen und habe keine Ahnung, was mein Gegenüber hören will, aber die versammelte Gemeinde in Budondo erweist sich als außerordentlich textsicher und ruft die Wörter wie aus einem Mund zum Redner. „Bulensi zaffe ziyamba kuleta bantu ku ki?“ „Mu Eddwaliro!“ antortet die Menge. Unsere Ambulanzen helfen, die Menschen wohin zu bringen? Ins Krankenhaus.
Am Ende der Veranstaltung dürfen die Fahrradambulanzen dann ausprobiert werden, was zu allgemeiner Erheiterung führt. Meine Aufgabe während der ganzen Übergabe ist, alles fotographisch zu dokumentieren. Bis jetzt ein rundum gelungenes Projekt, mal sehen, wie es in der Praxis funktionieren wird.

Viele Grüße und bis zum nächsten Mal!
Euer Franz

Von Bierdeckeln, alten Sitzpolstern und der Plastikflasche

Nach dem Öffnen der Flasche rücksichtlos in die Ecke gepfiffen, unauffällig im Regal verstaut, ein sinnloser Platzhalter, wartend auf die nächste Müllabfuhr: Was hätte ich in Deutschland mit diesem Müll angefangen? Nicht beachtet wahrscheinlich, nicht die Zeit gehabt darüber nachzudenken, einfach weggeworfen. Jedoch ist das „Wegwerfen“ hier in Ruanda nicht so einfach. Der Müll wird nicht sortiert und recycelt, sondern einmal im Monat im Vorgarten abgebrannt. Alte Matratzen der Kinder liegen bei uns herum, die Plastikflaschen häufen sich an und die Bierdeckel werden wie in Deutschland erst gar nicht beachtet.

Die Stelle im Garten, an der verbrannt wird

Dabei muss ich jedoch hier anmerken, dass ich auf sehr hohem Niveau meckere. Denn die Mengen an Müll halten sich für die fast 200 Kinder sehr strak in Grenzen! Auch wird hier in Ruanda nichts auf die Straßen geworfen, die Menschen sind im Bezug auf Plastik in ihrer Umgebung super fortschrittlich. Natürlich gibt es Unterschiede vom sauberen Kigali zu unserer ländlichen Region. In den Beeten sind häufig noch Reste von der Müllverbrennung, aber lange nicht so viel, dass es unangenehm wäre.

Diedonne und Mutoni beim Schälen der Ibijumbo
Eine Schneiderin am Kimironko

Da Toni und ich viel mit Kindern zu tun haben, viel von diesen „Mengen“ an Müll umgeben sind und auch beide gerne kreativ sind, hat sich ein kleine Produktion ergeben:   Wir verarbeiten den „Müll“  allerdings nicht nur zu zweit, ein paar wenige Mädchen sind über die Ferien hinweg auf dem Gelände geblieben. Die Schwestern haben sie vor Jahren aufgenommen, da sie Waisen sind und es keine näheren Familienangehörigen gab, die sich um sie kümmern konnten. Die Mädels helfen den ganzen Tag über mit beim Kultivieren im Garten, beim Kochen, Waschen, Nahrungsmittel vom Markt holen und so weiter, was eben am Tag anfällt. Aber neben der Arbeit spielen wir auch am Sportplatz, tanzen beim Kochen zu amerikanischer, deutscher und ruandischer Musik, unterrichten uns gegenseitig in Englisch – Kinyarwanda, etc. Und nun haben Toni und ich begonnen mit den Mädels und manchmal auch ein paar Schwestern den besagten „Müll“ weiter zu verarbeiten.

Die umnähten Bierdeckel

Auf dem Kimironko Markt  in Kigali (ein großer Markt mit vielen Verkaufsständen von dem traditionellen Kitenge) haben wir Bierdeckeluntersetzer entdeckt, die mit Kitenge umnäht sind. Dazu werden die Reststoffe hergenommen, die nach dem Nähen der Kleidungsstücke übrig bleiben. Es geht in ganz bunt, oder wie wir es versucht haben, in einem bestimmten Muster.

Die alten Sitzpolster und das neue Kuscheltier

Auch habe ich letztens aus alten Sitzkissen einen Fisch genäht. Das war mein erstes Mal, deswegen habe ich für das nächste Mal noch viel dazugelernt, aber es ist ein Anfang (: Toni traut sich demnächst auch an Taschen und Federmäppchen heran, Kitenge haben wir genug auf Vorrat aus Kigali geholt (:

Basteln mit den Waisenmädchen und neugierigen Besuchern

Und aus den Plastikflaschen haben wir Kerzenlichter gebastelt. Die 1,5 Liter Flaschen müssen ringförmig aufgeschnitten werden und dann mit Papierkleister und Transparentpapier umklebt werden. Das Papier ist um jede Klopapierrolle gewickelt, da sammeln alle Schwestern eine Zeit lang. Das ist immer so süß, wenn mir im geheimen eine Schwester ihren Vorrat immer zusteckt. Die Gräßer und Blumen hier sind wunderschön, die haben wir mit hineingeklebt, bei Dunkelheit ist es wunderschön! Oder Papierkraniche gefaltet aus dem Transparentpapier, das ist ein schönes Windspiel. In den Schlafzimmern der Kinder könnten wir Sie an der Decke befestigen, vielleicht basteln wir da ein bisschen wenn die Ferien vorbei sind.

Die Klopapierrollen und die Verpackung

Da in Ruanda die Plastiktüten verboten sind, bekomme ich jedes Mal beim Einkaufen Papiertüten. Manche Verkäufer falten dafür auch gebrauchtes Papier und kleben es. Vor diesem Upcyclen habe ich großen Respekt, fast jeder nimmt zum Einkaufen auch seine eigenen Taschen mit. Im Übrigen gilt es als unhöflich und rücksichtslos gleich nach dem Einkauf etwas auf der Straße zu essen. Deswegen kriege ich eigentlich immer eine Tüte, wenn ich nichts zum Einpacken dabei habe.

Soviel zum Müll, dem Upcyceln, dem Umweltbewusstsein – sehr vielseitig und an verschiedenen Orten ganz unterschiedlich ausgeprägt.
Vermutlich fallen mir im Laufe des Jahres noch viele andere Bastelsachen ein, ich werde bestimmt wieder darüber schreiben.  Genießt die Adventszeit, ich vermisse sie hier ein wenig.

Eure Anna (:

Preschool Meeting in Chipunga und Weihnachtsstimmung in Malawi

Mittlerweile ist die Supervision (Überwachung) von Doris Kasambala schon etwas weiter fortgeschritten. Wie ich bereits in meinem letzten Beitrag erklärt habe, versucht Doris Kasambala dabei den Preschool Lehrern/innen neue Unterrichtsmethoden beizubringen. Meiner Meinung nach ist es sehr nützlich, man kann bereits deutliche Veränderungen im Unterricht beobachten. (Z.B. bemühen sich die Lehrer/innen nun sich auf eine Zahl und einen Buchstaben pro Woche zu beschränken, anstatt jeden Tag etwas Neues zu unterrichten). Auch ich konnte schon einiges dadurch lernen.

Doris Kasambala am Unterichten, (Preschool at the compound)

 

 

 

 

 

 

 

 

Trotzdem beschäftigte uns in letzter Zeit die Tatsache, dass zu Beginn des Schuljahres (im September) täglich noch mehr Kinder in die Preschool kamen, als jetzt. Mittlerweile kommen nur noch halb so viele Kinder. Zum Beispiel in die Preschool at the church kamen im September noch 25-30 Kinder, nun sind es leider nur noch 10-15 Kinder täglich.
(Zur Erklärung: Ich arbeite in zwei verschiedenen Preschools. Eine wird Preschool at the compound genannt, die andere at the church. Beide sind in Chipunga. Doch da Chipunga sehr ländlich und weitläufig ist, wurden zwei Preschools eröffnet, damit die Kinder nicht so weite Strecken zurück legen müssen. Jede Woche wechsle ich die Preschool und arbeite in einer anderen.)

Zudem wurden die erwünschten Gebühren, um den Kindern in der Pause Porridge zu kochen, bisher noch nicht von den Eltern bezahlt. Es sind 500 MKW monatlich (ca. 830MKW sind 1€) pro Kind erwünscht.
Da viele der Kinder ohne Frühstück aus dem Haus gehen und auch kein Pausenvesper mitbekommen, werden sie nach ca. der Hälfte des Preschooltages hungrig, was sich in Trotz, weinen und Alberheit zeigt. Natürlich kann sich kein Kind so konzentrieren und etwas lernen. Wer lernt schon gerne mit leerem Magen?

Aus diesem Grund wollten wir den Eltern bewusst machen, dass sie die 500 MKW bezahlen sollten, oder aber ihren Kindern ein Pausenbrot mitgeben.

Nach einigen Diskussionen zwischen Doris und mir entschieden wir uns mit dem „Headman“ von Chipunga zu reden. Zuerst versprach er uns seine Unterstützung, er wolle den Eltern einen Brief zukommen lassen mit einem offiziellen Stempel und sie zu einem Meeting auffordern.
Nachdem das angesagte Meeting zweimal verschoben wurde, da keine Eltern auftauchten, und der „Headman“ plötzlich in Mzuzu war, gingen Doris und ich in der Grundschule in Chipunga von Klasse zu Klasse. Dort forderten wir die Schüler/innen auf ihren Eltern auszurichten, dass sie mit ihren Kindern unter 5 Jahren zu dem Meeting kommen sollten, welches wir für den nächsten Tag angesagt hatten.
Ich war ehrlich gesagt erst sehr skeptisch, ob es dieses Mal klappen wird.
Doch am nächsten Tag waren überraschenderweise sehr viele Mütter und auch einige Väter, mit ihren Kindern zu dem Meeting erschienen.

Nach einer längeren Diskussion entschieden sich die Mütter, dass jeder die 500 MKW Schulgebühren bezahlen sollte und es wurden Verantwortliche gewählt, um das Geld zu verwalten und den Porridge für die Kinder zu kochen.
Der „Headman“ von Chipunga erschien nicht zum Meeting, er war immer noch in Mzuzu.
Dafür kam die „Headwoman“(sie ist nicht die Ehefrau vom „Headman“, sie hat genau die gleiche Stellung) von Chipunga und unterstütze unser Vorhaben.

Jetzt bin ich mal gespannt, ob die Schulgebühren regelmäßig bezahlt werden und die Kinder täglich einen Porridge in der Schule genießen dürfen.
Immerhin konnten wir durch das Meeting die Wichtigkeit der Bildung für Kinder betonen und auch die Probleme der Eltern anhören.
Meiner Meinung nach war das Meeting schon jetzt ein Erfolg. Einige der Eltern waren zum ersten Mal bei einem solchen Meeting, wurde mir gesagt.

 

 


In diesem Beitrag würde ich zusätzlich noch gerne einige andere Themen ansprechen, welche mir in der letzten Zeit aufgefallen sind:

Plastik:
Malawi hat ein großes Problem mit Plastikmüll. Hier in Mzuzu gibt es keine Müllabfuhr, die regelmäßig durch die Straßen fährt und den Hausmüll einsammelt, um ihn dann ordentlich zu entsorgen.
Viele Menschen hier haben kein Bewusstsein für die Gefahren von Plastikabfällen in der Natur. Die leere Trinkflasche oder die Einkaufstüten werden einfach rücksichtlos aus dem Autofenster oder in den nächsten Graben geworfen. Oft sieht man in den Straßengräben dann eine große Ansammlung von Plastikmüll, welcher den Abfluss verstopft und es dadurch zu einer stehenden stinkenden Wassermasse kommt. Es gibt auch keine Mülleimer in der Stadt, welche regelmäßig geleert werden.

Nicht selten sieht man, wie Plastikmüll einfach am Straßenrand oder in einem Hof verbrannt wird. Dies stinkt und qualmt ordentlich. Doch es besteht keine andere Möglichkeit den Müll loszuwerden.
Auch ich musste die alten abgelaufenen Medikamente plus Verpackungen, welche noch von den Vorgängern in Chipunga waren, verbrennen. Es war ein sehr komisches Gefühl das alles einfach anzuzünden.

Das Beste ist also, wie überall auf der Welt, den Plastikmüll so gut es geht zu vermeiden. Zum Einkaufen nehme ich immer Stofftaschen mit, trotzdem, wenn man mal kurz nicht aufpasst, sind die Tomaten vom Markt schon wieder in einer Plastiktüte verschwunden.
Positiv finde ich, dass wenigstens in den Supermärkten wie Shoprite oder Chipiku die Plastiktüten etwas kosten. Es sind zwar nur kleine Beträge zwischen 50 und 70 malawischen Kwachas (1€ = ca. 830MKW), trotzdem ist es besser als nichts.

 

Religion:
In Malawi spielt die Religion eine sehr große Rolle.
Ca. 83% sind Christen und ca. 13% Muslime. Die restlichen 4% gehören den Bahai, Atheisten und traditionellen Religionen an.
Viele Malawier gehen jeden Sonntag in die Kirche, um zu beten zu singen und tanzen. Oft wird auch vor dem Essen gebetet und Gott gedankt.
Viele Malawier sind sehr ehrfürchtig gegenüber Gott.

In vielen Autos kann man Aufkleber finden wie: „This car is protected by the blood of Jesus“ oder Bilder von Jesus Christus. Trotzdem fahren viele Leute hier zu schnell und überholen in den Kurven. Die Autos haben oft keinen guten Zustand, machen komische Geräusche, Spiegel oder Lichter fehlen oder haben einen riesigen Sprung in der Frontscheibe. Oft sieht man Unfälle.

 

Ist es ein Vorteil „weiß“ zu sein?
Wenn ich hier in Malawi in der Öffentlichkeit unterwegs bin wird mir oft ein bestimmtes Wort hinterher gerufen. Manchmal kann ich es auch aus einem Gespräch aufgreifen und ich weiß sofort, dass ich damit gemeint bin. Das Wort ist „Mzungu“.
Was wortwörtlich übersetzt so viel bedeutet, wie „Der von weit her gereiste“.
Damit bezeichnen die Leute hier die „hellhäutigen“ Menschen.
Auf den Reisen mit meiner Familie nach Uganda und Kenia hatte es mich nie sonderlich gestört „Mzungu“ genannt zu werden.
Doch hier merke ich immer öfter, wie unangenehm ich es finde.
Immer und überall fällt man auf. Leute schauen einen an und lachen. Natürlich meinen sie es nicht böse, doch man kann nicht einfach in einer Menschenmenge verschwinden, wie in Deutschland. Man ist immer der Andere, die „besondere“ Minderheit.
Zudem merke ich öfters, wie ich anders behandelt werde, nur aufgrund der Hautfarbe.
Zum Beispiel im Immigration Center wurde ich an der Schlange wartender Menschen vorbei gewunken direkt in ein Büro, in welchem mir sofort geholfen wurde.

Natürlich gibt es auch die andere Seite. Manche Taxifahrer oder Veräufer/innen assoziieren mit „weißer“ Haut Geld und verdoppeln oder verdreifachen sogar ihren Preis. Gerade wenn man neu an einem Ort ist und nicht weiß wieviel etwas kostet bezahlt man oft zu viel. Mittlerweile kenne ich die meisten Preise und mit ein bisschen Chitumbuka wirkt man auch nicht mehr wie ein Tourist, trotzdem ist immer Verhandlungsgeschick verlangt.

 

 


 

Weihnachtsstimmung:

So langsam erhalte ich immer mehr Whatsapp Nachrichten aus Deutschland, sie klagen über das kalte Wetter. Auch schon die ersten Schnee Bilder haben mich erreicht.
Jetzt beginnt die Weihnachtszeit. Die Weihnachtsmärkte haben geöffnet und in Gallenweiler starten die Adventsfenster. Der Adventskalender wird täglich aufgemacht und jeden Sonntag eine Kerze auf dem Adventskranz angezündet.

Hier in Malawi bekommt man nicht viel von der Weihnachtsstimmung mit. Außer im Shoprite, dort ist schon seit Oktober die komplette Weihnachtsdeko ausgepackt. Natürlich kitsch pur: Künstliche Tannenbäume, Weihnachtsmann Figuren und glitzernde Girlanden zusätzlich läuft Weihnachtsmusik rauf und runter.

In Malawi ist es zurzeit fast jeden Tag sehr heiß.
Wobei ich noch froh sein kann, dass ich in Mzuzu wohne. Es ist höher gelegen und dadurch kühler. In Mzuzu haben wir bei Sonnenschein ca. 30 Grad, wobei es am See unten schon mal bis zu 40 Grad heiß werden kann.
Trotzdem merkt man so langsam, dass die Regenzeit beginnt. Immer öfters gibt es regnerische Tage, welche ich auch mal ganz gerne habe. Doch der Sandboden wird dann zu einer großen Schlammrutsche. Im Laufe des Dezembers sollen diese regnerischen Tage weiter zunehmen.

 


 

Zuletzt habe ich nun noch eine kleine Bitte.
Da die Weihnachtszeit sich nähert und jeder beginnt sich Gedanken über Geschenke zu machen.
Wollte ich nochmal einen Spendenaufruf starten.
Bisher habe ich die Hälfte meines Betrags zusammen und dafür danke ich hier noch einmal!
Trotzdem fehlen noch ca. 1250€.

 

Falls ihr Lust habt mich bei meinem Auslandsjahr zu unterstützen:
Hier ist eine Schritt für Schritt Erklärung, um das Ganze zu vereinfachen:
1. Das Geld wird auf diesem Konto gesammelt:
          artefact gGmbH
          DE33 2175 0000 0186 0651 24
2. Gib bei der Überweisung folgende Spendenkennung im           Verwendungszweck an:
        sol. Chipunga 10
Das ist ganz wichtig, damit die Spenden meinem Projekt zugewiesen werden!
3. Wenn du eine Spendenbescheinigung per Post von artefact erhalten   möchtest, gib zudem Deine vollständige Adresse an!

Vielen Dank!

Eure Laura

Eine Freiwilligenstelle (fast) wie aus dem Bilderbuch

Ein wichtiger Bestandteil des weltwärts Programmes ist das Lernen. Niemand soll einfach nur in ein anderes Land gehen, um dann dort zu helfen oder zu arbeiten, wir sollen von unserer Reise sehr viel mitnehmen und auch selbst daran wachsen.

Ein Punkt ist dabei natürlich die neue Kultur im Allgemeinen. Schon diese Erfahrung reicht aus, um unsere Sicht auf die Welt hoffentlich zu verändern und sie uns anders wahrnehmen zu lassen. Aber wie bereits gesagt, ein Teil jedes Freiwilligen Jahres ist auch das Arbeiten. Und dass fällt bei eigentlich jedem Freiwilligen sehr unterschiedlich aus.

Das etwas gemütlichere Office

Wo manche zeitweise einfach nichts zu tun hatten, gehen manche in ihren Aufgaben richtig auf. Bei mir ist es, um ehrlich zu sein, ein sehr guter Mittelweg. Ganz am Anfang habe ich von artefact, unserer Entsendeorganisation eine Stelle in Uganda vorgeschlagen bekommen. Bei dieser hätte ich den Großteil der Zeit damit verbringen sollen, wenn ich mich recht erinnere, Schülern und auch Lehrern den Umgang mit PCs beizubringen. Eigentlich auch genau mein Ding, schließlich sitze ich jeden Tag recht viel am PC und habe auch Spaß damit zu arbeiten. Auch habe ich in der elften Klasse, während der Facharbeits-Zeit, vor meinen Jahrgangskammeraden mehrere Vorträge darüber gehalten, wie man das Textprogramm OpenOffice benutzt. Und auch jetzt noch helfe ich gerne, wenn mir beispielsweise meine Mutter oder meine Oma zu Dingen bezogen auf PC oder Smartphone Fragen stellen.

Zwei meiner Arbeitskollegen, Robby und Racka

An sich war der Vorschlag also sehr passen. Aber halt nur eigentlich. Denn wie bereits gesagt, am PC sitze und arbeite ich beinahe jeden Tag und das dann auch noch jeden Tag zu unterrichten, das währe für mich halt nichts Neues. Ok, nicht viel Neues, schließlich unterrichte ich nicht jeden Tag, aber ich würde mich die meiste Zeit mit dem verbringen, was ich eh schon immer mache. Genau aus diesem Grund habe ich mich dann gegen die Stelle in Uganda entschieden. Und ich bereue meine Entscheidung nicht.


Jetzt bin ich hier in Malawi, habe eine super schöne Wohnung und bin bei einem Unternehmen, das dabei ist, eine nachhaltige Lodge zu bauen. Ein fast drei Hektar großes Gelände soll mit Wohnhäusern, einem Restaurant, einem Tagungsgebäude, sowie vielen Beeten und Demonstrationsgärten ausgestattet werden. Später sollen hier nicht nur Touristen, sondern sogar auch möglichst viele Bewohner der Region etwas über Themen wie Permakultur, Bewässerung, organische Dünger und Spritzmittel oder auch die Kompostherstellung lernen. Es sollen regelmäßig Kurse angeboten werden, das Restaurant soll aus eigenem Betrieb komplett vegetarisch betrieben werden und ein Ausflugsziel für Schulklassen soll es auch sein. All das klingt jetzt sehr träumerisch und Zukunftsmusik, aber das Ganze nimmt langsam gestallt an. Und ich bin ein Teil davon. Und auch ein wichtiger.

Auf der Baustelle nehmen langsam die ersten Gebäude Form an

Eigentlich sollen Freiwillige möglichst keine Arbeitsstellen besetzten und damit Anwohnern einen Job wegnehmen, aber bei mir ist das in gewisser Weise der Fall. Die Aufgaben, die ich habe, sind zwar nicht unbedingt für das Unternehmen lebensnotwendig, aber wenn ich nicht hier wäre, müsste entweder eine Person eingestellt werden, oder es würden halt einfach ein paar Dinge wegfallen, bzw. meine Chefin müsste ihre restliche Freizeit auch noch opfern. Eine dieser Aufgaben ist beispielsweise das Aufbauen der Website. Zwar wurde das von meinen Vorfreiwilligen schon angefangen, aber richtig viel gibt es bisher noch nicht. Eine andere Aufgabe ist das Verwalten und Updaten der großen Pflanzendatenbank, auch von meinen Vorgängern angelegt, in der wir versuchen, über mehr als 800 verschiedene Pflanzen, bzw. deren Samen, den Überblich zu behalten. Und schlussendlich, meine wohl aktuell regelmäßigste und auch sehr anspruchsvolle Aufgabe, das Organisieren und Durchführen unseres wöchentlichen Obst- und Gemüseverkaufes. Hierbei kümmere ich mich nicht nur um das Angebot für unsere Kunden, auch nehme ich alle Bestellungen entgegen, frage bei Missverständnissen nach, am Mittwochmorgen leite ich das Packen der Bestellungen, verkaufe diese danach in der Stadt und bin dann auch noch dafür zuständig, den Überblick über das ganze Geld zu behalten. Problem daran ist, bzw. eigentlich ist es ja etwas Gutes, dass wir inzwischen von durchschnittlich 8 Kunden pro Woche auf 20 gewachsen sind. Dadurch wird die Arbeit halt von Woche zu Woche mehr.

So haben wir uns das für den Obst- und Gemüseverkauf zumindest vorgestellt, wie es einestages bei jeden Aussehen soll

Und das sind nur ein paar meiner Aufgaben. Man stelle sich vor, ich (und auch kein anderer Freiwilliger) wäre jetzt nicht hier. Dann würde von diesen Aufgaben entweder fast nichts “existieren”, oder man müsste halt jemanden dafür anstellen. In gewisser Weise nehme ich also doch einen Arbeitsplatz weg.

Leider kein Alltag…

Mir persönlich gefällt die Arbeit aber. Zwar ist es manchmal sehr herausfordernd, manchmal auch nicht sehr spannend, aber sie ist definitiv abwechslungs- und lehrreich. Viele meiner Aufgaben habe ich vorher noch nie richtig gemacht, zumindest nicht in dem Ausmaß, und daran lerne ich echt viel. So wie beispielsweise die Pflanzensamen, die ich schon in der ersten Woche eingepflanzt habe. Vermutlich habe ich sie nicht richtig gewässert, sodass keiner von ihnen jemals aus der Erde gekommen ist. Man lernt halt aus seinen Fehlern.


Und genau das ist auch das Gute an meinen Aufgaben. Wenn ich Fehler mache, geht nicht gleich das ganze Unternehmen unter, aber die Konsequenzen erlebe ich trotzdem, zum Beispiel wenn ich den Kunden erklären muss, dass etwas an ihrer Bestellung nicht da ist. Für den Moment fühle ich mich dann immer schlecht, aber langfristig lerne ich glaube ich sehr viel daran. Es ist also genau so, wie es sein soll.

 

 

 

 

3 Monate Malawi: eine Kulturreise durch meinen Kopf

Seit ca. 3 Monaten lebe ich jetzt in Malawi. Ich lebe in Malawi, häufig bin ich gefühlsmäßig von einem malawischen Leben jedoch weit entfernt. „Wie komme ich der malawischen Kultur möglichst nahe, wie verfolge ich mein Ziel des Herausfindens und Lernens?“, diese Frage warf ich zum Ende meines letzten Blogbeitrags auf (der zugegebenermaßen bereits ein Weilchen her ist) und sie hat sich seither zu meinem stetigen Begleiter gemausert. Jetzt schaue ich zurück auf meine bisherigen Erfahrungen: wo sind die Berührungspunkte mit der Kultur, wo bin ich ganz weit weg, was sind die Gründe, was wären mögliche Stellschrauben, warum nehme ich was wie wahr?

Das mein ich 🙂

Beginnen wir mit dem Wohnen, das ja überhaupt erst Auslöser für das Aufwerfen der Frage zur kulturellen Begegnung war.

„Princess Prison“ und die Suche nach Zuhause

Während ich in Deutschland die Information, dass ich bei einer schottischen Familie wohnen würde, noch ganz gut aufnahm in der Annahme, dann gäbe es wenigstens keine Verständigungsprobleme, so merkte ich nach Ankunft recht schnell, dass es vielleicht doch nicht so das Gelbe vom Ei sein könnte, wenn man eigentlich hergekommen ist, um malawisches Leben kennenzulernen. Der Lebensstandard, der mich hier umgibt, ist ganz und gar westlich geprägt. Das Viertel BCA Hill ist eines der reichen Leute. Hier ist jedes Grundstück von einem hohen Zaun mit bewachtem Tor umgeben. Grundstück umschließt in meinem Fall einen parkähnlichen Garten, das einstöckige Haus der Familie mit großer Küche, die ich mit nutze, die Staff Quarters (Zimmer für die Angestellten) und meine Einraumwohnung inklusive Bad. Das einzige, wo sich Malawi wirklich penetrant zu Wort meldet, sind die täglichen, fünfstündigen Stromausfälle, bei denen ich dann kein Warmwasser, sowieso kaum Wasserdruck und kein Licht habe (die Familie lässt sich auch davon nicht beeindrucken. Wofür gibt es schließlich Generatoren, die man sich in den Garten stellen kann?).

Begegnung mit der Kultur habe ich abgesehen davon mit den Angestellten. Wir grüßen uns immer lieb auf Chichewa und mit dem Koch führe ich morgens oder abends auch ganz schöne Gespräche in der Küche (wenn wir nicht gerade darum kämpfen, wer abspülen darf). Aus diesem Austausch lässt sich schließen, dass ich nicht die einzige bin, die sich hier nicht so 100%-ig wohlfühlt. Die ungute Stimmung, die manchmal wie ein Schleier über dem Haus zu hängen scheint, ist eins der weiteren Dinge, an denen ich neben der Einsamkeit, die in meinem Zimmer herrscht, zu knabbern habe. Ich verbringe hierin ungern mehr Zeit als nötig, aber da es in diesem Viertel nicht empfohlen wird, nach Einbruch der Dunkelheit allein unterwegs zu sein (besonders als weißes Mädchen) komme ich meistens direkt nach Arbeitsschluss um 5 nachhause. Obwohl ich hier so frei bin wie noch nie fühle ich mich manchmal eingesperrt, bzw. eher weggesperrt vor all den Erfahrungen, die ich in einem klassisch malawischen Umfeld machen würde. Daher auch die mehr oder weniger liebevolle Bezeichnung „Princess Prison“.

Zuhause. Ich weiß, was ich mir dafür in Malawi wünschen würde. Eine gemeinschaftliche Stimmung, die zu Austausch einlädt, Kinder, die vorbeikommen, einfach Malawier, mit denen ich mich unterhalten kann (also wäre es schon mal von Vorteil, wenn jemand Englisch spricht, sonst bleiben die Gespräche wohl auf einem relativ seichten Niveau). Eine Art Gastfamilie, bei der ich wirklich das malawische Leben kennenlernen kann oder aber eine Wohngemeinschaft mit jungen Malawiern, mit denen ich mich vielleicht auf ähnlicherem Level befinden und gut austauschen könnte. Ich war schon an einem Punkt, wo ich einfach unbedingt so sehr traditionelles, typisches Malawi wie möglich haben wollte. Ich lernte es kennen – für die Arbeit für zwei Nächte auf dem Dorf, Besuch bei einem Kollegen – und kam ins Stutzen. Möchte ich den Rest meines Aufenthalts ohne fließend Wasser leben, ohne Elektrizität, ohne ein weiches Bett, ohne mein morgendliches Porridge (wer mich kennt, weiß dass diese Frage einen tatsächlich beschäftigen kann :D)? Möchte ich nicht mehr selbst für mich einkaufen, selbst für mich kochen, selbst entscheiden, wann ich Hunger habe und wann nicht, wann ich nachhause komme und wann nicht? Ist es sicher für mich ohne Guard und wenn es abgelegen ist, wie pflege ich dann meine gerade keimenden sozialen Kontakte? Ich muss sagen, ich bin selbst gespannt, was ich für eine Lösung für mich finden werde. Es juckt mich immer noch in den Fingern, das Westliche hinter mir zulassen, auch mal ein bisschen Verzicht zu leben. Aber andererseits muss es sich irgendwie mit meinem „8 to 5“-Bürojob in BCA Hill vertragen. Und damit wäre auch schon die Überleitung zum nächsten Feld geschaffen, das sich theoretisch anbietet, um kulturelle Erfahrungen zu sammeln: die Arbeit.

Das abenteuerlustige Naturmädchen mit viereckigen Augen

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als die Einsatzstellen verteilt wurden, als ich zum ersten Mal den Namen Renew’N’Able Malawi hörte. Die Information, ich solle vor allem journalistisch tätig sein mit dem Schreiben von Artikeln und Social Media Arbeit, das Wissen um eine deutsche Gründerin, Martina, der gepflegte Internetauftritt, die sympathisch wirkenden Teambilder, die Lage in Blantyre, dem kulturellen Zentrums Malawis – all das nahm mir so einiges an Sorgen, all das versprach ein vertrautes Umfeld.

„Renew’N’Able Malawi“ – ich stieß das Tor zögerlich zum ersten Mal auf und lernte die Menschen hinter den Teambildern kennen. Zwar keinesfalls qualitativ, wohl aber quantitativ weniger. Aufgrund von Funding Schwierigkeiten sind von einem ehemals rund 15-köpfigen Team noch 5 übrig, mich eingeschlossen. Dafür, dass RENAMA auf relativ vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzt, sind das sehr, sehr begrenzte Kapazitäten (was genau RENAMA alles macht, bzw. machen soll habe ich mittlerweile auch grob durchschaut und stelle es euch in einem eigenen Artikel vor – ich möchte ja den Rahmen hier nicht sprengen). Arbeit war also sofort genug für mich da. Bisher habe ich viel über Energiearmut in Malawi, Gründe und resultierende Probleme und das Potential erneuerbarer Energien recherchiert und diese Informationen dann schön für die Bildungswebsite Mphamvu-now zusammengetragen. Ich half auch bei ihrem Umbau im Design mit. Mit einem Kollegen zusammen durchforste ich täglich zwei Tageszeitungen nach energie-/umweltrelevanten Artikeln und stelle diese auf die Plattform Conrema, die ebenfalls gerade einem Facelift unterzogen wird. Daneben verfasste ich für eine Kooperation mit ecoLODGy (Samuels Einsatzstelle, Martinas neues Projekte, Aufbau einer ökologischen Lodge/Permakulturgarten/vegetarisches Restaurant) Handouts über bestimmte Praktiken der Agroforstwirtschaft und Permakultur und Berichte über durchgeführte Aktionen. In Zukunft soll noch verstärkt das Kümmern um Social-Media-Kanäle und um Crowdfunding hinzukommen.

All diese Arbeit findet vor einem Bildschirm in einem Bürozimmer statt, manchmal mit zwei Kollegen, die dasselbe Schicksal teilen, nicht selten aber auch ganz alleine. Jeder hat mal andere Dinge zu tun. Immer mal wieder fährt jemand zu Meetings und Präsentationen weg und ich habe neulich schwer darum gebeten, da doch auch mal mitzukönnen. Die Büroarbeit ist für mich wirklich ein zweischneidiges Schwert. Ich benutze generell gut und gerne meinen Kopf. Ich fand Spaß an der Seminararbeit in der 11. Klasse und genauso fühle ich mich jetzt manchmal – fokussiert, produktiv, mit flitzenden Fingern und ebenso flitzenden Gedanken. Wobei ich sagen muss, dass mir das gängige Konzept „du bleibst hier von 8 bis 5, egal, ob du Bäume ausreißt oder Blümchen gießt“ generell einleuchtet, ich es aber nicht wirklich als förderlich für die Motivation empfinde. Ich eigne mir hier sehr viel Wissen an – zu erneuerbaren Energien, traditionellen Kochweisen, Abholzung, Klimawandel, der PR-Arbeit einer NGO, Herstellung einer Harmonie mit der Natur, alles Themen, die mich wirklich interessieren. Ich komme mit meinen Kollegen gut klar, auch wenn wir für meinen Geschmack mehr Ideen austauschen könnten und mehr Lachen. Aber manchmal wird es mir einfach zu viel. Zu viel Laptop, zu viel Stille, zu viel abstraktes Denken, zu viel Sitzen, zu viel Ernsthaftigkeit – da wünsche ich mich raus in die Natur, möchte rennen und die Sonne spüren. Denn es ist mir auch zu wenig – zu wenig Begegnung mit dem malawischen Leben, zu wenig interessante Erfahrungen im Sinne von am eigenen Körper erfahren, zu wenig Durchgeschütteltwerden auf holpriger Straße. Ich lerne hier wirklich viel, aber das Lernen durch Lesen könnte noch mehr mit Lernen durch Erleben ergänzt werden.

Im Gespräch mit meinem Chef habe ich versucht, etwas in Bewegung zu bringen – in erster Linie mich selbst. Er schien meinen Wunsch zu verstehen und ich hoffe, in Zukunft, mehr in fortbestehende Feldprojekte à la Energiekioske und auch professionelle Meetings eingebunden zu werden. Vielleicht kann ich ja auch noch neue Möglichkeiten erschließen, bzw. alte wiederbeleben.

 „Biete: offenes Mädchen, das lieb sein kann – Suche: kulturellen Austausch“

Aufgrund meiner gefühlten Abschottung habe ich bisher alle Möglichkeiten, doch mal richtig in unbekannte Gewässer einzutauchen mit offenen Armen empfangen.

Für die Zusammenarbeit mit ecoLODGy, in deren Rahmen Farmern der Schritt von konventioneller Landwirtschaft zu Permakultur ermöglicht wird, schreibe ich nicht nur, sondern mache auch aktiv bei den Workshops und Farmbesuchen mit. Es verwundert mich selbst manchmal, wie glücklich es mich macht, mit dem traditionellen Chitenje um die Hüften gebunden, Schweiß und Dreck auf der Stirn auf einem Feld irgendwo im nirgendwo zu stehen und dabei nur ein paar Wortfetzen von den Gesprächen um mich herum zu verstehen.

Ich lasse mir generell ungern eine Chance entgehen, auf die ecoLODGy Site zu fahren. Die Arbeiter dort sind einfach zu nett und inmitten all der Pflanzen kann man ja nur aufblühen.

 

Als wir für die Erstellung eines Energie-Glossar aufs Dorf fuhren (der erste Ausflug, bei dem ich mitdurfte), blieb ich dort für einen Tag länger. Ich lebte dort beim Chef des Dorfes und schlug mich allein auf Chichewa durch. Mit dem Motorradtaxi durch die weite Ebene brausen, das erste Mal Nsima kochen, Wasser auf dem Kopf durch die Gegend tragen, das Lehmhaus kehren, mit Kindern Figuren in den Sand malen, alles Erfahrungen, für die ich nicht dankbarer sein könnte.

Ich fahre gerne mit dem Minibus zum Markt und spaziere dort umher. Es bereitet mir eine Heidenfreude, auf englische Zurufe mit einer Erwiderung auf Chichewa zu reagieren. Generell empfinde ich die Sprache als Tor zu den Menschen. Viel zu spärlich sind meine Kenntnisse noch für meinen Geschmack, aber step by step arbeite ich daran.

Diesen Sonntag habe ich es auch endlich mal geschafft in die Kirche zu gehen und durfte dort ein bisschen singend durch die Gegend flitzen.

Und gilt es eigentlich als kulturelle Erfahrung, wenn man bei malawischen Freunden zuhause auf die krasseste Villa trifft, die man je gesehen hat? Ein weiterer Denkanstoß.

Danke, dass ihr an dieser Reise durch meinen Kopf teilgenommen habt ?. Wie immer freue ich mich über Feedback, Fragen und Gedanken!

Johanna

 

PS.: Mein Bruder hat mir beigebracht: „Traditionen wollen gepflegt werden“ und diesmal passt es einfach zu schön. Auf seinem Weg in den Wald hat sich das Rehkitz plötzlich die Hufe gestoßen. Ein Zaun versperrt den Weg. Mit ein paar anderen seiner Art wird es auf einer Lichtung festgehalten. Es kann das dichte Gestrüpp sehen, direkt vor seiner Nase ist der lebendige Wald. Gespannt beobachtet es, was da alles vor sich geht und schon bald juckt es in seinen Hufen, kopfüber in das Dickicht zu hüpfen, selbst ein Teil davon zu werden. Es könnte warten bis der Zaun rostet, aber um ehrlich zu sein, Geduld war noch nie seine Stärke. Wie gut, dass Rehe springen können…

Peace – Amahoro

Missionaries of Peace
1994 herrschte kein Frieden in Ruanda, fast eine Millionen Menschen starben in Folge des grausamen Genozids. 2001 wurde der Brüder- und Schwesterorden „Missionaries of Peace“ gegründet, um den Folgen der Brutalen Ermordungen entgegenzuwirken. Viele Waisen brauchten ein Zuhause, Verwundete brauchten Unterstützung und die Schwestern boten psychische Rehabilitierung an, waren also Zuhörer und versuchten schwere familiäre Situationen zu verarbeiten.

Bei einem Ausflug mit der behinderten Klasse

In ganz Ruanda verbreitete sich der neue Orden, dabei ist unsere Schule das ˃Hauptquartier˂, denn hier begann alles. In Janja stand nur eine Kapelle in der ein paar Brüder und Schwestern gemeinsam schliefen und beteten. Jahr für Jahr bauten sie mehr auf, die Brüder und Schwestern sind in der Physio tätig, arbeiten in der Küche, pflegen den Garten und kümmern sich um die Bürokratie der gesamten Schule.

AMIS APAX
Meine Schule „AMIS APAX“ liegt ca. 100km von Kigali entfernt. Bei klarem Wetter kann ich die Vulkane sehen, die in demselben Nationalpark

Ein Ausblick auf die Vulkan

stehen in dem die Forscherin Dian Fossey ihre Gorillas beobachtete. Ich arbeite in einer Klosterschule für ˃inclusive education˂. Das bedeutet, dass körperlich und geistige Kinder in einer separaten Klasse aufgenommen werden und je nachdem, wie schnell sie lernen und sich entwickeln, werden sie in der Grundschule und in die weiterführende Schule aufgenommen. Das Konzept ist so erstaunlich groß ausgebaut, dass das gesamte Gelände mit Rollstühlen befahrbar ist, häufig sehe ich Kinder mit Krücken und auch Erwachsene die z.B. Taubstumm sind. Für alle findet sich hier eine Arbeit!

Ein Teil unseres Schulgeländes

Das Gelände umfasst Schlafräume für Kinder, die unter der Woche hier bleiben, Essenssäle, eine Küche, eine Physiotherapie und einen Sportplatz. Für Gäste gibt es eigene Zimmer mit Bad, nicht weit von den Schwestern wohnen die Brüder und natürlich gibt es viele Klassenzimmer. Es gibt einen Garten, in dem die Schwestern dieses Jahr beginnen Oragen- und Avocadobäume zu pflanzen. Mit Toni haben wir auch schon einen Kompost bauen dürfen, ein paar Kinder haben uns super assistiert! Denn die Erde hier ist ziemlich lehmig rot, vielleicht wird sie auch durch den Regen immer so stark ausgewaschen. Allerdings haben uns die Cowboys die im Garten, mit

Das Grundgerüst unseres Kompostes

den Kühen und in der Küche arbeiten, stark in den Schatten gestellt. Denn neben den Kühen haben wir noch Ziegen und Hühner, für die die drei Cowboys letztens einen Käfig gebaut haben – wahnsinnig stabil und groß!

Das erste Mal für mich eine Kuh zu melken!

Meine Aufgaben hier sind vielfältig, hauptsächlich betreue ich die Kinder im Unterricht, wenn sie kreativ sind oder Sport haben. Hier im Unterricht geht nichts ohne Lieder – zum Aufwärmen im Sport, als Pause im Unterricht, als
Begrüßung für Gäste stimmen alle gerne freudig ein und das schafft eine tolle Atmosphäre! Zum anderen lerne mich in der Physiotherapie ein. Meine Mentorin überlässt mir und Toni vorerst die Kinder, die nicht laufen können, um es mit ihnen zu üben. Schritt für Schritt lerne ich dazu und freue mich über jeden Fortschritt!Manchmal haben wir auch Bürodienst, da ziehen wir uns zurück und verfassen Berichte. Wir können beim Kochen helfen, jedoch reicht unser Kinyarwanda für das Verständigen mit dem Küchenpersonal noch nicht aus. Da die Ferien nächst Woche beginnen, können wir keine größeren Projekte

Unser Pizzabacktag

in der Schule mehr starten. Aber für das nächste Schuljahr sammeln wir bereits Ideen, besprechen Projekte mit den Sisters und helfen im Alltag mit. Als Schulabschluss wollen wir z.B. Lampions mit den Kids basteln – Als Materialien nehmen dafür abgeschnittene Plastikflaschen her, von den Papierverpackungen des Klopapiers die weißen Transparentstreifen und Kleister – ich bin sehr gespannt!

Liebe Grüße aus den Bergen Ruandas, Anna