Halbzeit

Kaum zu glauben, ein halbes Jahr ist rum!

Am 11. Februar vor genau 6 Monaten habe ich das erste Mal Fuß auf malawischen Boden, den afrikanischen Kontinent und die Südhalbkugel gesetzt. Seitdem habe ich viel Neues gelernt und erfahren, Freundschaften geschlossen, Malawi als ein wunderschönes, authentisch naturbelassenes Reiseland kennengelernt und einige Tief- doch zum Glück zum größten Teil Höhepunkte erlebt.

Das Jahr erscheint mir wie das Erklimmen eines Berges: am Anfang ging es sachte bergauf, alles war neu und aufregend und bei all‘ den fremden Eindrücken blieb bloß Zeit zum Aufnehmen und Staunen und wenig Zeit zum Hinterfragen und Nachdenken. Im Laufe des Weges wurden viele Dinge normal und zum Alltag und mit der Zeit stellte sich immer mehr ein Gefühl von Zuhause ein, so wie man sich im Laufe einer Wanderung an das Gehen gewöhnt. Doch mit der Gewöhnung wurden einige Dinge auch nervig und kulturelle Unterschiede wurden deutlicher Trotzdem war ich glücklich mit meinem Leben hier und freute mich, was für ein gutes Leben ich in Malawi führen kann, obwohl ich glatt von einem der reichsten Länder der Welt in einem der ärmsten Länder der Welt gelandet war. Reichtum ist eben nicht nur an wirtschaftlicher Entwicklung und Geld zu messen!

Im November und Dezember schien der Anstieg zum Gipfel langsam steiler zu werden. Ich vermisste immer mehr Dinge aus meinem Leben in Deutschland und die Kompliziertheit, mit der vieles hier verbunden ist, ging mir immer öfter auf die Nerven. Privilegien, die ich mein Leben lang in Deutschland hatte, wurden mir immer stärker bewusst und über diese Erkenntnis bin ich sehr froh. Das Kusamala stellte sich als nicht sonderlich geeignete Einsatzstelle heraus und ich wurde immer genervter davon, dass ich mich dort nicht wirklich willkommen und wertgeschätzt fühlte und von einer allgemeinen Desmotivation umgeben war, während ich mich in meiner Freizeit von engagierten Menschen umgab. Immer öfter versuchte ich Zeit für YSD zu finden, da ich dort immer freudig empfangen und direkt mit zahlreichen Aufgaben überhäuft wurde. Auch sonst war mein Leben außerhalb des Kusamalas eigentlich toll: Carl war zu Besuch, ich machte mir eine schöne Weihnachtszeit und unser Silvesterausflug war ein richtiges Highlight. Und dennoch spürte ich zeitweise eine gewisse negative Grundstimmung bei mir.

Anfang Januar sehnte ich dann dem Gipfel des Berges immer mehr entgegen. Ein Jahr kam mir plötzlich sehr lang vor, vor allem mit dem Wissen, gerade noch nicht einmal die Hälfte geschafft zu haben. Anfang Januar fing ich auch endlich an ernsthaft über einen Projektwechsel nachzudenken. Viele Menschen hier halfen mir die Probleme am Kusamala deutlicher zu sehen und aufzuhören die Situation schön zu reden. Der Projektwechsel kam dann rasanter als geplant und stellte in gewisser Hinsicht den letzten steilen Anstieg zum Gipfel des Berges da. Am 5. Februar, fast genau 6 Monate vor meinem Rückflug nach Deutschland am 6. August hatte ich also meinen letzten Tag am Kusamala. Die Erleichterung, die sich darüber bei mir einstellte, machte mir noch einmal deutlich bewusst, wie sehr mich die Situation eigentlich doch gestört hatte.

Dann kam das Bergfest, die Halbzeit, die „zombanische Wende“! Vom 7.-15. Februar war ich in Zomba, eine wunderschöne kleine Stadt im Süden Malawis und ein absoluter Höhepunkt meiner Zeit hier. Passend, dass diese schöne Woche gleichzeitig mit dem Erreichen des Gipfels, also der Halbzeit und der erleichternden Wende in Bezug auf mein Projekt zusammenfiel. In Zomba wollte ich in der Pakachere Backpacker Lodge einen 5-tägigen Permakulturworkshop geben, den ich basierend auf meinen Erfahrungen während des PDC selbst gestaltet hatte. Der Workshop wurde ein großer Erfolg, die 8 Gärtnern aus Zomba lernten begeistert über Permakultur und setzten das Gelernte direkt praktisch im Pakachere Garten um. Wir pflanzten Bananen und Moringa-Bäume, legten Beete an und bauten eine schöne Kräuterspirale. Die Gärtner waren wohl begeistert, denn der Kurs hat sich rumgesprochen und ich bin eingeladen, den Workshop noch einmal zu geben für weitere interessierte Gärtner.

Eine neue Banane
Ein neues key hole bed
Ein sehr erfolgreicher Permakulturkurs mit begeisterten Teilnehmern. Und unsere schöne Kräuterspirale!

Auch sonst war meine Zeit in Zomba nur von lauter positiven Momenten geprägt. Ich wohnte in der Pakachere Lodge und genoss die tolle Atmosphäre, die netten Menschen um mich und das leckere Essen. Zomba ist eine kleine Stadt, viel entspannter als Lilongwe. Ich ging gerne auf den Markt und freute mich vor allem, dass es hier leckere Macadamianüsse zu kaufen gab. Am Samstag erklommen wir zusammen mit einer Gruppe an Freunden das Zomba-Plateau, einen platten Berg, von dem wir eine unglaubliche Aussicht auf die Umgebung hatten. Zomba hat einen botanischen Garten, alte noch aus der Kolonialzeit stammende Häuser und einen grünen Golfplatz, sodass sich im Gegensatz zu allen anderen mir bekannten malawischen Städten tatsächlich Möglichkeiten für Spaziergänge ergaben. Zusammen mit Julia (eine Medizinstudentin aus Deutschland, die gerade ein Praktikum am Krankenhaus in Zomba macht und mit der ich mich direkt einfach nur super verstanden habe) drehte ich also am Sonntag eine schöne Runde in Zomba. Meinen letzten Abend feierten wir in einem italienischen Restaurant mit hausgemachter italienischer Pasta, italienischem Rotwein und richtigem italienischen Eis, ein absoluter Traum!!

Ziel unserer Wanderung: Die William’s Falls auf dem Zomba Plateau
Traumhafter Ausblick vom Zomba Plateau
Der botanische Garten in Zomba
Alte englische Häuser in Zomba – seht ihr den Affen?

Jetzt bin ich zurück in Lilongwe und auf einmal scheint die Zeit zu rennen. Vom Gipfel geht es nun bergab, und der Weg nach unten ist bekanntlich leichter zu beschreiten. Das Ziel der Wanderung ist in Sicht und vor allem die Aussicht auf meine geplanten Aktivitäten in den verbleibenden Monaten rücken das Ende der Wanderung, den 6. August, den Rückflug nach Deutschland zusätzlich näher. Ein halbes Jahr erscheint plötzlich sehr kurz! Das Gefühl hier so richtig angekommen zu sein wird immer stärker. Ich freue mich auf Deutschland, freue mich aber genauso, wenn nicht mehr, das halbe Jahr hier noch zu haben und zu genießen. Ein gutes Gleichgewicht hat sich eingependelt. Ich sehe es als etwas ganz Besonderes, dass ich hier so ein gutes Zuhause gefunden habe. Mein Mitbewohner Deus und seine Freundin Vitta sind zu meinen besten Freunden hier geworden. Mit Deus kann ich einfach über alles reden und ich merke immer wieder wie unfassbar glücklich mich das macht! Zusammen haben wir sogar vor kurzem angefangen an jedem Wochenende einen Harry Potter Film zu schauen, dieses Wochenende ist die Nummer 5 dran!

Gerade mache ich für 3 Wochen ein Praktikum am Lilongwe Wildlife Center. Ich habe spannende Aufgaben und bin sehr glücklich endlich einen tollen Arbeitsort gefunden zu haben. Zum einen bin ich für die tree nursery verantwortlich und daher gerade dabei das Pflanzen von zahlreichen Samen und Setzlingen zu organisieren. Zum anderen bringe ich ein bisschen Struktur in die zahlreichen Komposte und baue einige verschiedene Komposthaufen und –arten und bereite das Ganze für die Bildungsarbeit auf. Weiterhin versuche ich einer anderen Praktikantin im Bereich Waste Management zur Hand zu gehen. Nach nur 5 Tagen habe ich gefühlt schon mehr erreicht und mehr Verantwortung übernommen als am Kusamala in 5 Monaten. Das ist ein bisschen frustrierend, gleichzeitig aber auch bestätigend, den richtigen Schritt gegangen zu sein. Es ist wunderbar, von so vielen netten und motivierten Menschen umgeben zu sein, die meine Ideen aufnehmen und die Umsetzung fördern. Die zahlreichen Affen, die in den Bäumen herumturnen und mich immer wieder zum Schmunzeln bringen, tragen natürlich auch maßgeblich zur Arbeitsatmosphäre bei!

Die Affen im Wildlife Center

Offiziell werde ich mein Projekt zum 1. April wechseln und mich dann an die Entwicklung eines neuen Waste Management Projekts machen, mehr dazu, wenn es soweit ist! Bis dahin habe ich im März noch eine Reise in den Norden Malawis geplant, wo wir auch unser Zwischenseminar haben werden.

So weit, so gut! Ganz liebe Grüße aus der Regenzeit!

Vor der Regenzeit und nach der Regenzeit – kaum zu glauben, oder?

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